Leigh Bardugo – Six of Crows / Das Lied der Krähen

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Eine Straßengang wagt den unmöglichen Einbruch

In Ketterdam regieren die Straßengangs die Stadt – in Spielclubs und Freudenhäusern tummeln sich nachts die Gestalten der Unterwelt, machen dubiose Geschäfte, handeln mit Drogen und Menschen. Zu ihnen gehören die Dregs, angeführt vom „Bastard des Viertels“, dem mysteriösen Kaz Brekker. Sie sind Diebe, Betrüger, Soldaten, Mörder. Als Kaz von einem der reichsten Händler der Stadt den Auftrag erhält, die Entwicklung der gefährlichen Droge Jurda Parem aufzuhalten, stellt er seine Crew zusammen, um in den bestgesichertsten Ort einzubrechen: den Ice Court in Fjerda. Kaz entscheidet sich für Inej, das Gespenst, das alle Geheimnisse in Ketterdam kennt, Jesper, seinen fähigsten Scharfschützen, Nina, die Grischa-Magierin, Wylan, den Bombenbastler, der exzellente Pläne zeichnen kann und Matthias, den Soldaten aus Fjerda, der als Einziger den Ice Court von innen kennt. „No mourners, no funerals“ lautet ihr Motto, jetzt umso mehr denn je.

„Men mock the gods until they need them, Kaz.“

Viele Rezensionen (besonders auf Goodreads) haben Leigh Bardugos Six of Crows als Fantasy-Version von Ocean’s Eleven betitelt. Klar, wegen des als unmöglich geltenden Einbruchs bzw. Raubs. Auch wenn ich den Vergleich vor der Lektüre noch seltsam und übertrieben fand, habe ich doch bald festgestellt, dass es gar keine so schlechte Beschreibung ist. Gerade während des Coups fühlte ich mich oft an Filme wie die der Ocean’s-Reihe erinnert, in welchen die Uhr immer weiter piepend abläuft, während man die verschiedenen Banden-Mitglieder bei ihren einzelnen Aufgaben beobachtet. Im Falle von Six of Crows ist es die Elder Clock, welche den Ablauf der Ereignisse bestimmt und an der sich die sechs Protagonisten orientieren müssen.

She felt slightly guilty for eavesdropping on Kaz, but he was the one who had turned her into a spy. You couldn’t train a falcon, then expect it not to hunt.

Der Jugend-Fantasyroman ist aus der Perspektive von fünf Charakteren geschrieben: Inej, Nina, Jesper, Matthias und Kaz. Lediglich Wylan erhält nicht seine eigenen Kapitel, was aber auch Sinn macht, da die fünf immer wieder aus ihrer Vergangenheit berichten und zumindest häppchenweise ihre Erfahrungen und Motive preisgeben – Wylan aber bleibt für lange Zeit aus spannungs- und überraschungstechnischen Gründen ein Rätsel für die Dregs sowie den Leser. Es ist schön, dass ausnahmsweise mal nicht die traditionell „Guten“ im Fokus stehen. Dadurch, dass die Protagonisten alle Erpresser, Diebe und Mörder sind, sind sie vielschichtige und interessante Persönlichkeiten. Dennoch sind sie große Sympathieträger, die sich durch ihre Schwächen wie Gier und Rachsucht verwund- und fehlbar machen. Auch wenn die sechs jungen Männer und Frauen erst um die siebzehn Jahre alt sind, wirken sie auf mich recht alterslos, sie haben alle schon so viel erlebt und durchgestanden, dass sie nicht die typischen Jugendlichen sind und ich das Buch deshalb auch nicht als typische Jugendfantasy betrachten kann. Tatsächlich haben sie mich hin und wieder ein wenig an die Brückenverbrenner aus dem Spiel der Götter erinnert; sie könnten eine jüngere Version von ihnen sein.

She hated the frail waver of her voice in the cabin. She didn’t sound like a Grisha soldier or a hardened member of the Dregs. She sounded like a little girl who didn’t know what she was doing. And that was exactly how she felt.

Da Kaz, Jesper, Inej, Matthias, Wylan und Nina alle eine turbulente Vergangenheit haben, wird neben dem eigentlichen Einbruch in den Ice Court viel über ihre Erlebnisse vor dem Eintritt in die Dregs erzählt. Die Rückblenden erläutern immer nur Stück für Stück, wie die Dregs zu dem wurden, was sie jetzt sind. Geheimnis um Geheimnis wird gelüftet, die Allianz steht des Öfteren auf der Kippe und das Vertrauen in die Kameraden wird immer wieder auf die Probe gestellt. Bardugo weiß, wie sie die Spannung aufrechterhalten kann, es ist ein temporeicher Roman, in dem ständig etwas passiert und ein Plot-Twist den nächsten jagt. Für mich war keine Szene überflüssig, die düstere Atmosphäre zog sich durch das ganze Buch hindurch (und es war überraschend brutal! In einem „Jugendbuch“ rechne ich nicht unbedingt mit herausgerissenen Augäpfeln…) und das Magiesystem der Grischa ist interessant sowie innovativ gestaltet und macht Lust auf mehr. Der trockene Humor der Protagonisten hat mir besonders gut gefallen, es hat richtig Spaß gemacht, ihren verbalen Gefechten beizuwohnen und ich musste oft schmunzeln oder lachen. Ja, es gibt aufkeimende Gefühle und sich andeutende romantische Interessen, aber sie sind nicht der Mittelpunkt der Geschichte, sondern unterhaltsames Beiwerk (Gott sei Dank).

Jesper knocked his head against the hull and cast his eyes heavenward. “Fine. But if Pekka Rollins kills us all, I’m going to get Wylan’s ghost to teach my ghost how to play the flute just so that I can annoy the hell out of your ghosts.”

Ocean’s Eleven im Grischa-Universum

Leigh Bardugos Jugend-Fantasyroman Six of Crows ist fesselnd, rasant, witzig und stimmungsvoll. Zwielichtige aber zugleich sympathische Charaktere mit den unterschiedlichsten Vergangenheiten konnten mich wirklich überzeugen. Ich habe richtig Lust, mit dem zweiten und letzten Band weiterzumachen, besonders nach dem gelungenen Cliffhanger am Ende.

Bardugo selbst hat bestätigt, dass Six of Crows und Crooked Kingdom auch auf Deutsch erscheinen werden, leider gibt es aber noch gar keine Informationen dazu.

5sterne

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