Thomas Glavinic – Das Leben der Wünsche

 

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Die Macht der Wünsche

Während seiner Mittagspause wird der Werbetexter Jonas von einem Unbekannten in ein Gespräch verwickelt. Sein Angebot erscheint verrückt: „Ich erfülle Ihnen drei Wünsche“. Ohne das Angebot wirklich ernst zu nehmen, geht Jonas auf das Spiel ein. Nach und nach kommt es in seinem Leben zu scheinbar unerklärlichen Vorfällen. Sein zu klein gewachsener Sohn bekommt plötzlich einen Wachstumsschub und seine Aktien steigen. Und eines Abends findet er seine Frau tot im Badezimmer.

Nach den ersten Seiten des Buchs Das Leben der Wünsche von Thomas Glavinic dachte ich zunächst, dass der Roman amüsant werden könnte. Die Beschreibungen des Treffens mit dem Fremden waren für mich eher lustig als mysteriös.

Ich kann mich täuschen, aber ich glaube, im Märchen verströmt die Fee nie so einen Biergeruch.

Hören Sie! Ein Mensch mit Goldkettchen, weißem Anzug und Bierfahne will mir drei Wünsche erfüllen.

Doch nachdem sich nach und nach das Leben von Jonas teils dramatisch verändert, erhält die Geschichte eine ganz eigene Dynamik. Jonas wird klar, dass seine Wünsche das Leben zwar spannender machen, aber teils einschneidende Folgen für seine Mitmenschen haben können. Er merkt, dass sich nicht nur seine bewussten Wünsche erfüllen, sondern auch die unbewussten. So beginnt er sich mehr und mehr vor seinen eigenen Wünschen, die ihm selbst teilweise gar nicht bekannt sind, zu fürchten. Je mehr Wünsche sich erfüllen, desto mehr läuft Jonas Leben aus dem Ruder. Und ebenso wie sich die äußeren Dinge seines Lebens verändern, geht auch eine innere Wandlung in Jonas vor. Immer mehr Dinge, die er vorher überhaupt nicht beachtet hat, werden nun wichtig. Die Veränderungen in seinem Leben gehen eher langsam voran und sind nicht immer klar erkennbar.

Ein wichtiges Thema in dem Roman spielen Jonas Beziehungen zu verschiedenen Frauen. Die Beziehung zu seiner Frau wirkt oberflächlich betrachtet glücklich, doch durch den gemeinsamen Alltag hat die Beziehung der beiden gelitten. Neben seiner Frau hat er eine Geliebte, die ebenfalls verheiratet ist und welche er nur selten sehen kann. Dazu kommt, dass seine Ex- und  beste Freundin unheilbar an Krebs erkrankt ist. Jonas Verhältnis zu diesen drei Frauen ändert sich, je mehr seiner Wünsche in Erfüllung gehen. Doch wird dem Leser nie klar, was auf seine Vorstellungen zurückzuführen und was vielleicht nur Zufall ist.

Im Verlauf der Handlung kommt es zu immer dramatischeren Ereignissen wie mysteriösen Toden, Naturkatastrophen und anderen unerklärlichen Geschehnissen, welche in einem Zusammenhang mit Jonas stehen. Je mehr geschieht, desto größer werden auch sein innerer Konflikt und seine Unsicherheit. Zum Ende hin habe ich mich immer mehr gefragt, was überhaupt wirklich geschieht und was sich Jonas vielleicht nur einbildet oder erträumt. Hier liegt für mich auch ein Schwachpunkt des Romans. Vieles wird dem Leser überlassen, was natürlich spannend sein kann, aber ich finde, dass es der Autor übertreibt. Einige Dinge werden nur angedeutet und bleiben so im Ungewissen. Die vielen Gedanken und Fragen, die zwischen den Zeilen liegen, werden nur vom Leser gefunden, nicht aber vom Autor ausgesprochen oder erklärt. So überrascht es nicht, dass das Ende sehr offen gestaltet ist und von jedem anders interpretiert werden kann.

Auf sprachlicher Ebene habe ich den eher reduzierten, fast schon minimalistischen Stil des Autors sehr genossen. Dass die Dialoge ohne Anführungszeichen geschrieben sind, wie von einigen Rezensenten bemängelt, hat mich in keiner Weise gestört.

Ich glaube, dass wir in einer Art Computersimulation leben. Zumindest gefällt mir der Gedanke. Nein, er gefällt mir überhaupt nicht, aber ich finde ihn bemerkenswert.

Das klingt vielversprechend. Und was heißt das?

Dass unsere Vorstellungen von der Wirklichkeit womöglich falsch sind. Unser Religionsbergriff ist ein Missverständnis, weil er voraussetzt, dass Gott uns ähnlich ist. Das glaube ich aber nicht. Ich glaube, dass wir Computerchips sind, die nach dem, was wir als Tod bezeichnen, in ein Regal gelegt und bei Bedarf hervorgeholt werden, damit sich wer auch immer den Film unseres Lebens ansehen kann.

Komplexer Roman, mit zu vielen offenen Fragen

Das Leben der Träume von Thomas Glavinic ist ein Roman, der viele Themen anspricht und von einer kreativen Grundidee ausgeht. Der einzige Kritikpunkt von meiner Seite ist, dass gerade am Ende zu viel offen bleibt und ich als Leser allein gelassen wurde. Ansonsten ist der Roman absolut empfehlenswert.

4sterne

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