Warum Der Name des Windes von Patrick Rothfuss kein 08/15-Fantasyroman ist

Patrick Rothfuss Der Name des Windes Fantasy

Der Name des Windes von Patrick Rothfuss mag zwar ein Roman mit sehr klassischen Fantasy-Elementen wie Magie, magischen Kreaturen und einem eher mittelalterlich orientierten Setting sein, ist aber dennoch ein sehr eigensinniges Buch.

Drei Gründe, die es so besonders machen.

Der Name des Windes erzählt die Geschichte von Kvothe, der mittlerweile als unscheinbarer Wirt ein Gasthaus in einem kleinen Dorf betreibt. Doch als dieses eines Tages von spinnenartigen Dämonen überfallen wird, holt ihn seine Vergangenheit ein. Ein Chronist überredet Kvothe, seine Lebensgeschichte zu erzählen, sodass er diese schriftlich festhalten kann. So beginnt Kvothe am Anfang, als er mit seinen Eltern und ihrer Künstlertruppe durch die Lande zieht und der Arkanist Abenthy ihn Alchemie, Astronomie, Botanik und Anatomie lehrt und ihm erzählt, dass man den Namen des Windes rufen kann. Der zwölfjährige Junge fasst daraufhin den Entschluss, selbst einmal Arkanist zu werden und an der Universität zu studieren. Doch bis dahin ist es noch ein steiniger Weg…

Auch wenn ich nicht zu den Viellesern im Fantasybereich zähle, habe ich einige Ansprüche an dieses Genre. Bücher wie die von Ransom Riggs (Die Insel der besonderen Kinder, Die Stadt der besonderen Kinder) oder auch Die Karte der Welt von Royce Buckingham haben mich zwar ganz gut unterhalten, mehr aber auch leider nicht. Gerade sprachlich sind sie nicht besonders anspruchsvoll geschrieben und manche Wendungen sind recht vorhersehbar oder auch lieblos gestaltet. Ein ganz anderes Niveau hat da beispielsweise Steven Eriksons High Fantasy-Reihe Das Spiel der Götter – oder eben auch dieses Buch.

Doch was genau hebt Der Name des Windes so von anderen Fantasyromanen ab?

Sprache auf hohem Niveau

Zunächst einmal wäre da Rothfuss‘ Sprache. Sie ist poetisch, sie ist packend, sie ist ausreichend geschmückt aber niemals zu viel des Guten. Protagonist Kvothe ist nicht nur der Erzähler der Story, sondern vor allen Dingen auch ein richtig guter Geschichtenerzähler, ein Fabulierer, der es weiß, sein Publikum und seine Leserschaft in den Bann zu ziehen. Während viele Fantasybücher die Sprache zugunsten einer packenden Handlung in den Hintergrund stellen, dreht Rothfuss den Spieß um: ähnlich wie in den Büchern von Steven Erikson und George R. R. Martin ist die Sprache anspruchsvoll und absolut angemessen in ihrem fiktiven zeitlichen Kontext. Kvothe erzählt wie der Schausteller und Barde, der er nun einmal ist – die Bühne ist sein Zuhause, und das merkt man auch an seiner Ausdrucksweise.

„Mein Name ist Kvothe. Namen sind wichtig, denn sie verraten einem viel über einen Menschen. Ich habe schon mehr Namen getragen, als irgendjemand rechtmäßig tragen dürfte. Ich habe die Stadt Trebon niedergebrannt. Ich wurde von der Universität verwiesen, in jüngerem Alter als die meisten Leute dort zugelassen werden. Ich wandele im Mondschein auf Pfaden, von denen andere auch bei Tage nicht zu reden wagen. Ich habe mit Göttern gesprochen, habe Frauen geliebt, habe Lieder geschrieben, bei denen selbst die Sänger in Tränen ausbrechen. Ihr habt womöglich schon von mir gehört.“

Der Fokus: Das Leben an der Universität

Auch der Fokus des Buchs weicht deutlich von den anderen seines Genres ab. Die meisten Fantasyromane sind sehr actionreich und handlungsstark. Es wird viel gekämpft, es gibt Duelle, Schlachten, Kriege, viele Tote, natürlich, und sehr viel Blut. In Der Name des Windes gibt es zwar auch vereinzelte Kämpfe, wie gleich am Anfang mit den dämonenartigen Wesen, aber sie bleiben dennoch nur ein kleiner Teil des Buchs. Das Gros des Romans fokussiert sich auf Kvothes Ausbildung zum Arkanisten, auf die Zeit mit seinem ersten Lehrer Abenthy und besonders auf seine Monate an der Universität. Ich kann gut nachvollziehen, wenn es einigen Lesern zu langweilig ist, mehrere hundert Seiten über das universitäre Leben und Lernen und Kvothes Fortschritte im Bereich der Magie zu lesen. Für mich jedoch macht gerade dies den Charme des Buches aus – es erinnert mich irgendwie auch an die Zeit, in der ich Harry, Ron und Hermine in Hogwarts begleiten konnte. Man leidet mit dem Protagonisten, wenn er dringend Geld für seine Studiengebühren auftreiben muss, wenn er seine musikalischen Fähigkeiten in den Gaststätten unter Beweis stellt, sich mit seinen Professoren anlegt, verzweifelt versucht, die Frau seiner Träume zu finden oder immer wieder von seinem unsympathischen Kommilitonen Ambrose gepiesackt wird.

„Merk dir eines, mein Sohn, wenn du auch alles andere vergisst. Ein Dichter ist ein Musiker, der nicht singen kann. Worte müssen in den Geist eines Menschen dringen, ehe sie sein Herz rühren können, und der Geist mancher Menschen ist eine elend kleine Zielscheibe. Musik aber rührt das Herz direkt, ganz egal, wie klein oder widerspenstig der Geist des Menschen ist, der ihr lauscht.“

In der Ruhe liegt die Kraft

Was ebenfalls besonders auffällt, gerade im Vergleich zu anderen Fantasybüchern, ist das Tempo dieses Werks. Es startet zwar recht abrupt mit dem Angriff der spinnenähnlichen Kreaturen, doch als Kvothe dann beginnt, dem Chronisten seine Geschichte zu erzählen, reisen wir Leser mit ihm zurück in seine Kindheit, als alles anfing und er den Arkanisten Abenthy kennenlernte. Rothfuss beschreibt sehr ausführlich von den Reisen Kvothes mit seiner Künstlertruppe, bevor es den Jungen irgendwann an die Universität verschlägt. Auch dort vergeht die Zeit eher langsam, der Alltag wird sehr detailliert geschildert und es folgen nur wenige abenteuerliche Ereignisse. Zwischendurch gibt es immer wieder Kapitel, die in Kvothes Gasthaus spielen, in denen er sich mit seinem Freund Bast und dem Chronisten unterhält und kurzzeitig seine Lebensgeschichte unterbricht. Die 864 Seiten schreiten sehr gemächlich voran und darauf muss man sich als Leser einlassen können. Vor allem, weil es ja nur der erste Teil der Reihe ist.

Es ist gar nicht so sehr ein Buch, das auf seiner Handlung aufbaut. Es ist vielmehr eine Geschichte über das Geschichtenerzählen, eine Erzählung um des Erzählens Willen.

Bast atmete noch einmal ein – siebzehn. Er gab sich alle Mühe, nicht die Hände zu ringen, während er darauf wartete, dass diese tiefe Stille in den Raum drang. Er wartete darauf, dass sie am Rande der klaren Stille, die im Raum stand, Gestalt annahm. Er wusste, wie sie kam – wie der Frost, der, aus dem Winterboden dringend, das klare Wasser gefrieren lässt, das der Morgentau in den Reifenspuren hinterlassen hat.

Der Name des Windes ist der erste Teil von Patrick Rothfuss‘ Königsmörder-Chronik. Teil zwei, Die Furcht des Weisen, besteht aus zwei Büchern. Teil drei ist schon seit Jahren in Arbeit – dafür ist aber 2015 Die Musik der Stille, eine Geschichte über das mit Kvothe befreundete Mädchen Auri, das unter der Universität lebt, erschienen.
Wer sich auch nur annähernd für Fantasy-Literatur interessiert, und bisher noch nicht Der Name des Windes gelesen hat, sollte dies schnellstmöglich nachholen.
Angeblich sind sowohl ein Kinofilm als auch eine darauf aufbauende TV-Serie geplant.

12 comments

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  1. therealisapotter

    Hallöchen! :) Wow, ich hätte es nicht besser ausdrücken können! Ich glaube, den Post werd ich jetzt immer an alle meine Freunde weiterleiten, die ich davon überzeugen will, diese fantastischen Bücher zu lesen – Also vielen Dank dafür. ;) Beste Grüße, Isa.

    Gefällt 1 Person

  2. Monatsrückblick: Unsere Bücher im April – Letusredsomebooks

    […] Der Name des Windes zählt zu den wohl bekanntesten und beliebtesten Fantasybüchern – völlig zurecht! Die Geschichte um den Gastwirt Kvothe, der einem Chronisten seine Lebensgeschichte erzählt, ist einfach wunderschön und wahnsinnig spannend. Der Roman ist deutlich ruhiger und unblutiger als die meisten anderen dieses Genres, aber gerade dieses unübliche Tempo und der Fokus auf Kvothes Entwicklung und Ausbildung machen es zu etwas ganz Besonderem. Rothfuss ist ein meisterhafter Geschichtenerzähler! Mehr zu dem Buch könnt ihr hier nachlesen. […]

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  3. Miriam//howaboutlife

    Huhu,
    soo lange schleiche ich schon um diese Bücher herum und konnte mich nie so richtig dazu durchringen sie auch zu kaufen. Ich muss sagen, dieser ausführliche Beitrag hat mir sehr geholfen und mich davon überzeugt, den ersten Teil nun endlich meiner Wunschliste hinzuzufügen!
    Lieben Dank dafür und liebste Grüße,
    Miriam :-)

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