Kurz und knackig: Die Gabe (Naomi Alderman) & My Life on the Road (Gloria Steinem)

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Naomi Alderman – Die Gabe

Was wäre, wenn Frauen plötzlich die Macht ergreifen würden? Wenn sie sich zusammenschließen, überall auf der Welt, und ihre neu entdeckte Gabe nicht nur zum Guten benutzen? Hohe Positionen an sich reißen, die Männer unterdrücken, Angst und Schrecken verbreiten? In Naomi Aldermans dystopischem Roman Die Gabe (im Englischen: The Power, was ein deutlich passenderer Titel ist, da er gleichsam für die neu gewonnene „Macht“ wie auch für die elektrische Energie der Frauen steht) entwickeln die Frauen über Jahrzehnte hinweg eine besondere Gabe, mit der sie elektrische Stöße aus ihren Händen entsenden können. Dass diese Kraft natürlich nicht nur zur Verteidigung, sondern vor allem für den Angriff gebraucht wird, wird schnell klar.

Aldermans Grundidee des Romans ist schlichtweg genial – wir nehmen die aktuelle von Männern dominierte Welt und drehen den Spieß einfach mal um. Es gibt im Buch Männer, die es anmacht, von den Stromstößen durchfahren zu werden. Solche, die Frauen beschuldigen, nur wegen ihrer Gabe im Job weiterzukommen. Solche, die nicht damit zurechtkommen, dass plötzlich alles ganz anders läuft. Es gibt nun boys-only-Räumlichkeiten und -Aktivitäten, damit die Jungs in Sicherheit sind. Kommt einem alles bekannt vor, weil es doch wahnsinnig nah an der Wirklichkeit ist – bloß um 180 Grad gedreht und wunderbar überspitzt dargestellt.

Es ist ein wirklich gutes Buch, sehr unterhaltsam, extrem clever umgesetzt und in eine gelungene Rahmenhandlung eingebettet, die ganz am Schluss noch einmal eine fantastische Pointe erlaubt. Bahnbrechend wie namhafte Dystopien à la Schöne Neue Welt, 1984, Der Report der Magd usw. ist es für mich nicht, da ich es eher als eine Chronologie von Ereignissen gesehen habe als als perfekt abgerundetes Gesamtpaket, dennoch aber Pflichtlektüre, für alle, die glauben, dass die Welt mit Frauen an der Macht eine bessere wäre. Die Gabe ist eine feministische Dystopie, die schon fast satirische Züge annimmt und uns zeigt, dass Machtmissbrauch kein Geschlecht kennt.

Falls ihr eine ausführliche Rezension zu dem Buch sucht, schaut mal bei Sabine (Binge Reading & More) vorbei.

Naomi Aldermans Roman Die Gabe erscheint am 12.02. im HEYNE-Verlag.

feministische-Literatur-Alderman-Steinem

Gloria Steinem – My Life on the Road

Gloria Steinem ist eine Kultfigur des Feminismus, Gründerin der ersten feministischen Zeitschrift Amerikas, Journalistin und Aktivistin, die sich seit Jahrzehnten für Gleichberechtigung und gegen Sexismus, Rassismus und Homophobie einsetzt. My Life on the Road ist ein autobiografisches Schriftstück, das von ihrer Kindheit und Jugend, von ihren Reisen rund um die Welt aber auch quer durch Amerika und vor allem von ihrem politischen Aktivismus berichtet.

Interessante und lustige Anekdoten über Taxifahrer als Kenner der amerikanischen Gesellschaft reihen sich an Beschreibungen von Sexismus in der Flug-Branche, Rassismus an den Universitäten und Berichte über Reisen nach Indien. Von den Frauenkonferenzen, die Steinem auf die Beine stellte, bis hin zu den Vorwahlen 2008 zwischen Hillary Clinton und Barack Obame ist das Spektrum der erzählten Geschichten breit gefächert und dadurch gleichsam unterhaltend wie schockierend.

Ich wusste zum Beispiel noch nichts von den demütigenden Nussknackern in Hillary-Form, deren Beine als Griffe zum Knacken der Nüsse dienten, oder von den medialen Diskussionen über Clintons Frisur, ihre Figur, ihren Ausschnitt, statt ihrer Qualifikationen. Während der Vorwahlen und der Wahl war ich in der Oberstufe und verfolgte das alles nur oberflächlich. Allein die Aussage des rechtskonservativen Radiomoderators Rush Limbaugh „Will dieses Land allen Ernstes einer Frau beim Älterwerden zusehen, Tag für Tag?“ war mir neu und hat mich unglaublich betroffen und wütend zugleich gemacht. Genau das macht nämlich auch das ganze Buch von Gloria Steinem: wütend, traurig, aber gleichzeitig auch hoffnungsvoll. Denn es zeigt uns, dass es da draußen Gott sei Dank noch Menschen gibt, die etwas ändern wollen. Die Ziele haben und Visionen und sich nicht davon abbringen lassen, sie umzusetzen. Solche, zu denen man aufsehen und sich von ihnen inspirieren lassen kann.

2 comments

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  1. insipid&prätentiös

    The Power will ich auch unbedingt lesen, fand aber auch den englischen Titel wesentlich passender als „Die Gabe“. Habt ihr gut auf den Punkt gebracht, eine von Frauen dominierte Welt wäre eben auch nicht besser. Deshalb finde ich auch so Sprüche wie „The future is female“ total unpassend. Idealerweise ist die Zukunft ja geschlechtsneutral, in meiner Utopie jedenfalls..

    Gefällt 1 Person

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