Amélie Nothomb – Blaubart

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In der Kürze liegt die Würze: In ihrem genialen, aber nur 143 Seiten umfassenden Roman Blaubart erzählt Amélie Nothomb von Geheimnissen, der Liebe und einem völlig verrückten Spanier.

Saturnine ist eine junge, hübsche Belgierin, die eine neue Bleibe in Paris sucht. Lange Zeit schlief sie auf dem Sofa ihrer besten Freundin, doch nun hat sie ein Vorstellungsgespräch für ein traumhaftes Zimmer: ein adliger Junggeselle namens Don Elemirio vermietet ein Zimmerchen in seinem luxuriösen Stadtpalais. Der Andrang ist groß, denn es ranken sich dunkle Geheimnisse um den Spanier. Die letzten acht Frauen, die bei ihm zur Untermiete lebten, sind alle spurlos verschwunden. Hat er sie etwa umgebracht? Als Saturnine das Zimmer bekommt, hat sie die einmalige Chance, das Geheimnis zu lüften…

„Verdient das Geheimnis keinen Respekt?“
„Sie verdienen keinen Respekt.“
„Mein Geheimnis schon. Jedes Geheimnis verdient das.“
„Warum?“
„Das Recht auf das Geheimnis ist unantastbar.“

Blaubart ist eine Nacherzählung des alten Blaubart-Märchens des französischen Schriftstellers Charles Perrault. Viele Elemente hat Nothomb übernommen, einiges aber auch hinzugefügt – welche das sind, möchte ich an dieser Stelle aber nicht erwähnen, da diesem kurzen Roman sonst einiges an Spannung genommen würde. Ich kannte das Märchen vorher nicht und das war vielleicht auch ganz gut so, da ich dadurch bis zum Ende des Romans auf eine definitive Antwort meiner Fragen warten musste.

Fast der gesamte Roman besteht aus Dialogen zwischen Saturnine und Don Elemirio. Sie sind lebendig und temporeich und dazu unglaublich witzig. Es geht schlagfertig her zwischen den beiden – selten liest man in der Literatur so natürliche Dialoge wie bei Nothomb.

„Und wie verbringen Sie sonst Ihre Zeit?“
„Ich bin Spanier“, erklärte er.
„Danach habe ich nicht gefragt.“
„Das ist mein Beruf.“
„Und worin besteht der?“
„Die spanische Würde ist weit über allen anderen erhaben. Ich bin Vollzeit würdig.“

Don Elemirio ist einer der merkwürdigsten Charaktere, die mir in der letzten Zeit untergekommen sind. Er wirkt arrogant und extrem von sich selbst überzeugt. Er ist ein Adeliger und glaubt, von Jesus Christus abzustammen, im Gegensatz zum herkömmlichen, schnöden französischen Adel. Er sagt, er sei Spanier, so wie Jesus Christus natürlich ebenfalls ein Spanier war, denn er war quasi ein besserer Don Quixote, der ja bekanntlich als Urspanier gilt. Man könnte meinen, dieser Mann sei dauerhaft auf Drogen, bei dem, was er so erzählt – und davon erzählt er viel. Es ist amüsant, es lässt einen den Kopf schütteln, man möchte diesen seltsamen Adligen am liebsten ohrfeigen, so absurd ist sein Gequatsche. Saturnine jedoch weiß es meist, geschickt zu kontern. Diese beiden sind eine unterhaltsame, gewitzte Personenkonstellation, sie funktionieren so gut zusammen, dass es keine anderen Charaktere benötigt – Saturnines Freundin, die an einem Abend zum Essen hinzustößt, könnte auch fern bleiben, so sehr strahlen die Protagonisten.

Saturnine verzog das Gesicht und erklärte: „Wie verlogen Sie sind! Wenn wir hier nicht gerade den besten Champagner der Welt trinken würden, würde ich sofort den Raum verlassen.“
„Sie können die Flasche ja mitnehmen!“
„Alleine trinken hasse ich. Da ist mir noch die übelste Gesellschaft lieber.“

Wie auch in Der Professor gibt es reichlich historische wie mythologische Anspielungen, angefangen bei Saturnines Namen und endend bei dem Vergleich zwischen Saturnine, die Don Elemirios Geheimnis lüften will wie Ödipus das Rätsel der Sphinx. Da der Hausherr ein fast schon fanatischer Christ ist, zumindest auf seine ganz eigene Weise, geizt Nothomb auch nicht mit biblischen Anspielungen und Geschichten.

Die Hiobsgeschichte beispielsweise erscheint als Allegorie zu Don Elemirio, der Saturnine als Ersatz für seine letzten Frauen akzeptiert. Immer schon tauschte er eine mit der anderen aus, so ist auch Saturnine die Ablöse seiner letzten Freundin – Schrägstrich Untermieterin. Obwohl Don Elemirio selbst versichert, dass er Hiob deshalb nicht mag und den Ersatz als solchen ablehnt und Saturnine eben nicht ein Ersatz für die anderen Frauen ist, kann man ihm doch irgendwie nicht ganz glauben, da sein Handeln im starken Kontrast zu dieser Aussage steht.

Amélie Nothombs Roman Blaubart ist ein kurzes und temporeiches Buch mit starken Dialogen sowie einem faszinierenden männlichen Hauptcharakter. Gewohnt merkwürdig und unterhaltsam hält es seine Spannung bis zum Schluss aufrecht – Nothomb brilliert hier auf ganzer Linie.

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