Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne – die besten Romananfänge

die besten Romananfänge

Die ersten Sätze eines Romans gehören wohl zu den wichtigsten eines Buches. Sie können den Leser für die Handlung gewinnen, Neugier wecken oder umgekehrt bereits Skepsis aufkommen lassen. Natürlich reicht es nicht, nur einen guten Einstieg zu finden, wenn der übrige Teil die Qualität nicht halten kann. Wir haben für euch zwölf Romananfänge gesammelt, die uns in besonderer Erinnerung geblieben sind, darunter Klassiker, die wohl jeder Literaturfreund kennt, aber auch moderne Romane, die vielleicht weniger bekannt sind.

F. Scott Fitzgerald – Der große Gatsby

In meinen jüngeren und verletzlicheren Jahren hat mein Vater mir einen Rat gegeben, der mir seither nicht aus dem Kopf geht. „Jedes Mal, wenn du glaubst, jemanden kritisieren zu müssen“, sagte er, „dann erinnere dich daran, dass nicht alle Menschen auf der Welt solche Privilegien wie du gehabt haben.“

Roberto Bolaño – Die wilden Detektive

Sie haben mich eingeladen, am viszeralen Realismus teilzunehmen. Natürlich habe ich ja gesagt. Keinerlei Initiationszeremonien. Besser so.

Haruki Murakami – Tanz mit dem Schafsmann

Ich träumte oft vom Hotel Delfin. Im Traum bin ich ein Teil davon. Und zwar als eine Art Dauerzustand. Der Traum suggeriert das ganz deutlich. Das Hotel Delfin ist verzerrt und schmal wie ein Schlauch. Es wirkt eher wie eine lange, überdachte Brücke. Eine Brücke, die sich von uralten Zeiten bis in die Endzeit des Universums erstreck, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Und mittendrin bin ich. Jemand weint. Weint um mich. Das Hotel umhüllt mich. Ich kann seinen Puls fühlen, seine Temperatur spüren. Im Traum bin ich ein Teil des Hotels. Das ist mein Traum.

Mathias Énard – Erzähl ihnen von Schlachten, Königen und Elefanten

Die Nacht geht nicht in den Tag über. Sie verbrennt in ihm. Man legt sie auf den Scheiterhaufen der Morgenröte. Und mit ihr zusammen ihre Bewohner, die Trinker, Dichter, Liebenden. Wir sind ein Volk von Verbannten, von Todgeweihten.

Albert Camus – Der Fremde

Heute ist Mama gestorben. Vielleicht auch gestern, ich weiß es nicht. Ich habe ein Telegramm vom Heim bekommen: „Mutter verstorben. Beisetzung morgen. Hochachtungsvoll.“ Das will nichts heißen. Es war vielleicht gestern.

J. K. Rowling – Harry Potter und der Stein der Weisen

Mr. und Mrs. Dursley im Ligusterweg Nr. 4 waren stolz darauf ganz und gar normal zu sein, sehr stolz sogar. Niemand wäre auf die Idee gekommen, sie könnten sich in eine merkwürdige und geheimnisvolle Geschichte verstricken, denn mit solchem Unsinn wollten sie nichts zu tun haben.

Alejandro Zambra – Bonsai

Am Ende stirbt sie, und er bleibt allein, doch allein war er schon mehrere Jahre vor ihrem Tod, vor dem Tod Emilias. Sagen wir, sie heißt oder hieß Emilia, und er heißt, hieß oder heißt immer noch Julio. Julio und Emilia. Am Ende stirbt Emilia, Julio stirbt nicht. Der Rest ist Literatur.

Paul Beatty – Der Verräter

Aus dem Mund eines Schwarzen klingt das sicher unglaublich, aber ich habe nie geklaut. Habe nie Steuern hinterzogen oder beim Kartenspiel betrogen. Habe mich nie ins Kino gemogelt oder merkantile Gepflogenheiten und die Erwartungen von Mindestlohnempfängern ignoriert, indem ich einer Drugstore-Kassiererin das überschüssige Wechselgeld vorenthalten habe. Ich bin nie in eine Wohnung eingebrochen. Habe nie einen Schnapsladen ausgeraubt. Habe mich in vollbesetzten Bussen oder U-Bahnen nie auf einen Platz für Senioren gepflanzt, meinen gigantischen Penis rausgeholt und mir lüstern, aber auch leicht zerknirscht einen runtergeholt.

J. R. R. Tolkien – Der kleine Hobbit

In einer Höhle in der Erde, da lebte ein Hobbit- Nicht in einem schmutzigen, nassen Loch, in das die Enden von irgendwelchen Würmern herabbaumelten und das nach Schlamm und Moder roch. Auch nicht etwa in einer trokkenen Kieshöhle, die so kahl war, daß man sich nicht einmal niedersetzen oder gemütlich frühstücken konnte. Es war eine Hobbithöhle, und das bedeutete Behaglichkeit.

Cormac McCarthy – Die Abendröte im Westen

Seht das Kind. Der Junge ist blass und mager, trägt ein dünnes, zerschlissenes Leinenhemd. Er schürt das Feuer in der Spülküche. Draußen auf den dunklen, gepflügten Feldern liegen Schneebatzen, in den dunklen Wäldern dahinter leben noch ein paar letzte Wölfe. Seine Angehörigen kennt man als Holzhauer und Wasserschöpfer, sein Vater ist in Wahrheit ein ehemaliger Lehrer. Ein Trinker, der längst vergessene Dichter zitiert. Der Junge kauert am Feuer und betrachtet ihn.

John D. Salinger – Der Fänger im Roggen

Wenn ihr das wirklich hören wollt, dann wollt ihr wahrscheinlich als Erstes wissen, wo ich geboren bin und wie meine miese Kindheit war und was meine Eltern getan haben und so, bevor sie mich kriegten, und den ganzen David-Copperfield-Mist, aber eigentlich ist mir gar nicht danach, wenn ihr’s genau wissen wollt.

Celeste Ng – Was ich euch nicht erzählte

Lydia ist tot. Aber das wissen sie noch nicht. Am 3. Mai 1977 um halb sieben Uhr morgens weiß niemand etwas außer der harmlosen Tatsache: Lydia kommt zu spät zum Frühstück.

Welche Romananfänge sind euch besonders in Erinnerung geblieben und waren für euch am besten?

8 comments

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  1. Flo

    „Ein Leben beginnt gewöhnlich mit der Geburt – meins nicht. Zumindest weiß ich nicht, wie ich ins Leben gekommen bin.“

    Den hier find ich ebenfalls großartig. Das ist der Anfang von Walter Moers‘ Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär. Passt wunderbar zum Buch.

    Gefällt 1 Person

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