Da sich das Jahr stark dem Ende zuneigt, haben wir uns in den letzten Tagen auch ein paar Gedanken gemacht, was denn unsere persönlichen Lesehighlights 2016 waren. Achtung: nicht alle Bücher sind auch dieses Jahr erschienen. Durch Klick auf den Titel gelangt ihr zur jeweiligen Rezension.
Mathias Énard – Erzähl ihnen von Schlachten, Königen und Elefanten
Mit seinem Roman Erzähl ihnen von Schlachten, Königen und Elefanten ist Mathias Énard etwas wirklich Außergewöhnliches gelungen: Ein historischer Roman fernab der üblichen Klischees mit einem spannenden und zeitlosen Thema. Dazu kommt ein Stil, der das Buch für mich zu einem besonderen Leseerlebnis gemacht hat.
Heinz Helle – Eigentlich müssten wir tanzen
Heinz Helles postapokalyptischer Roman Eigentlich müssten wir tanzen besticht nicht nur mit wunderschönem Titel, sondern überzeugt anschließend auch noch mit detailverliebter Sprache, in welcher ein wahnsinnig starker Rhythmus mitschwingt. Ursachen und Hintergründe zur Katastrophe gibt der Autor nicht, stattdessen konzentriert er sich auf die Abgründe seiner Protagonisten. Sprachlich war dies für mich eine totale Überraschung und eines der Highlights der letzten Monate. Wer sich einmal ein völlig anderes postapokalyptisches Erlebnis wünscht, sollte es unbedingt mit Heinz Helle versuchen.
Callan Wink – Der letzte beste Ort
Ich gestehe, dass ich bis vor kurzem eigentlich immer einen Bogen um Kurzgeschichten gemacht habe. Ich glaube, dass wird sich nach der Lektüre von Callan Winks Debüt ändern und ich werde mich bei dem nächsten Besuch der Buchhandlung offener zeigen. Der letzte beste Ort bringt das Leben seiner Protagonisten auf den entscheidenden Punkt und dank der präzisen Sprache des Autors haben mich alle Erzählungen berührt. Ich hoffe, dass der Roman, an dem der Autor zurzeit arbeitet, ebenso gut wird wie seine Stories.
Kaurs eigenwillige, moderne Poesie über Schmerz, Trauer, Liebe und Hoffnung hat mich völlig in ihren Bann gezogen. Sie hat vielleicht nicht das Rad neu erfunden, ist keine neue Sylvia Plath, aber sie hat sich mit milk and honey als junge talentierte Stimme am Lyrikhimmel etabliert. Müsste ich fünf Werke empfehlen, die jede junge Frau gelesen haben sollte, wäre dieses hier dabei. Dürfte ich nur eines nennen, vielleicht auch. Für mich gehört milk and honey in jedes Bücherregal, auf jeden Nachttisch, in jede Handtasche.
Ryan Gattis – In den Straßen die Wut
Die lange Recherchearbeit des Autors hat sich wirklich gelohnt. Das Bild der Vorgänge im Schatten der Unruhen erscheint authentisch. Teilweise ist es mir aufgrund der Gewaltszenen schwer gefallen, lange am Stück zu lesen, aber das macht das Buch natürlich nicht schlechter. Ob es, wie auf dem Cover zu lesen ist, ein Thriller ist, würde ich bezweifeln. Dafür ist es zu dokumentarisch und letztlich gibt es auch keine Auflösung des Ganzen. Die Authentizität und Vielstimmigkeit gibt einem das Gefühl, dabei gewesen zu sein. Kein leichtes Buch, aber ein sehr gutes und lesenswertes.
Hanya Yanagihara – Ein wenig Leben
Hanya Yanagiharas Roman A Little Life ist anstrengend. 700 Seiten voller Leid, Qual und Trauer nehmen einen emotional ziemlich mit. Es ist berührend und an vielen Stellen überwältigt einen die Liebe, die Menschen empfinden können. Ich hätte mir ein bisschen mehr Einsicht in das Leben von Malcom und JB gewünscht. Außerdem war ich an ein oder zwei Stellen kurz davor, das Buch zu überdramatisch, zu überladen zu finden – es hat sich wirklich an der Grenze bewegt. Dennoch ist es ein wunderschöner Roman, welcher mir noch lange in Erinnerung bleiben wird, allein schon, weil ich noch so vieles zu überdenken und verarbeiten habe.
John Williams – Butcher’s Crossing
Nachdem bereits Stoner von John Williams für mich zu den Lesehighlights des letzten Jahres zählte, ist auch Butcher’s Crossing ein ganz besonderes Buch. Die detaillierten Charakterbeschreibungen und ihre Entwicklungen sowie die bildhaften Landschaftsbeschreibungen machen den Roman zu einem tiefsinnigen und auch literarisch anspruchsvollen Erlebnis. Ein Western ohne Klischees, der existenzielle Fragen zum menschlichen Sein und seinem Wirken in der Natur aufwirft. Für mich jetzt schon ein Höhepunkt meines diesjährigen Lesejahres!
Han Kang hat mit Die Vegetarierin einen recht knappen, aber sehr gelungenen Roman geschaffen, der oberflächlich ein für uns sehr banales Thema – Vegetarismus – behandelt. Eigentlich geht es aber um viel, viel mehr. Mit klarer, aber teils poetischer Sprache führt uns die Autorin in die Abgründe der menschlichen Seele und lässt uns am Ende mit einigen Fragen und vielen Denkanstößen zurück.
Um in die Welt von Thomas Pynchon einzusteigen erscheint mir Vineland sehr gut geeignet. Hier finden sich schon der typische Humor, die skurrilen Einfälle, die detaillierten Nebengeschichten und das schon fast enzyklopädisch anmutende Wissen, das der Autor verarbeitet. Aber eben alles eine Stufe kleiner als in seinen anderen Werken. Dabei aber in keiner Weise schlechter. Mir hat Vineland mit seinen Charakteren, den Geschichten und seinem Thema sehr gut gefallen und kann nur jedem empfehlen, sich auf diesen Autor, der sich von der Masse abhebt wie kaum ein anderer, einzulassen.
OOOH, a little Life! A little Life ist auch mein Jahreshighlight, auch wenn Yanigahara wirklich an der Grenze zum Ertragbaren schreibt. Einfach weil ich oft gedacht habe, dass es nicht noch schlimmer kommen kann… und dann wurde es schlimmer und ich habe mich gefragt, wann der Punkt erreicht ist, dass ich als Leserin vom “Mitleiden“ Richtung Voyeurismus kippe. Trotzdem konnte ich nicht aufhören zu lesen und brauchte danach irgendwie emotional erholsamere Romane. Mich hat der Roman lange nicht losgelassen und emotional durchgeschüttelt (trotz der Bedenken, die ich zwischendurch hatte). Ich glaub, das ist bei guten Romanen so.
Die anderen Jahreshighlights klingen auch sehr spannend. :)
Liebe Grüße, Eva
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Der Enard ist wirklich ein wunderschönes kleines Stück Literatur. Ebenso schmal, war „Die Vegetarierin“ vielleicht das Buch, das mich dieses Jahr am meisten enttäuscht hat (neben dem hochgelobten Roman von Benedict Wells). Kommt gut ins Neue Jahr!
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„The Vegetarian“ wird sicherlich auch auf meiner Liste landen – ein großartiges Buch. Liebe Grüße :)
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