John Williams – Augustus

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© dtv Verlagsgesellschaft

Das Leben des Augustus

Zum Zeitpunkt des Mordes an Julius Caesar ist dessen Großneffe Octavius gerade neunzehn Jahre alt. Als potentieller Erbe steht er vor großer Verantwortung. Doch ist er dieser schon gewachsen? Seine Mutter Atia warnt ihn davor und fürchtet um ihren Sohn. Denn dieser ist von schwacher Konstitution, sensibel und will eigentlich Gelehrter oder Schriftsteller werden. Mithilfe von Glück, Willenskraft und großer Entschlossenheit gelingt es Octavius, das vom Bürgerkrieg zerrüttete römische Reich zu einen und in eine Phase des Friedens und Wohlstands zu führen.

Mit Augustus liegt nun das letzte Werk des amerikanischen  Schriftstellers John Williams vor. Im Gegensatz zu seinen früheren Roman hat er für diesen jedoch schon 1973 Anerkennung erhalten und den National Book Award erhalten. Das Thema dieses Romans unterscheidet sich auf den ersten Blick von seinen Vorgängern Stoner und Butchers Crossing. Immerhin steht hier kein fiktiver Charakter im Mittelpunkt, sondern der Lebensweg und Aufstieg des ersten römischen Kaisers. Besonders gut gefallen hat mir die Form, die Williams für seinen historischen Roman gewählt hat. Durch fiktive Briefe, Tagebucheinträge, Notizen, Senatsbeschlüsse und Befehle entsteht ein Bild von Augustus und seiner Zeit. Die Verfasser dieser Schriften sind fast ausschließlich historisch verbürgte Charaktere wie Cicero, Ovid, Augustus Tochter Julia und viele weitere mehr.

Strukturell ist der Roman in drei Teile gegliedert. Der erste Teil, der vor allem aus den Notizen von vier Jugendfreunden des Augustus besteht, beschreibt den Aufstieg von Augustus zum Herrscher eines Weltreichs. Dieser Aufstieg wird eher faktenorientiert und anhand von Ereignissen dargestellt. Im zweiten Teil liegt der Fokus auf den Tagebucheinträgen seiner Tochter Julia. In diesem Abschnitt geht es vor allem um familiäre Beziehungen und das Scheitern in privaten. Der letzte und kürzeste Teil ist ein Brief von Augustus an seinen Freund und den Lehrer seiner Kinder Nikolaos von Damaskus. Die Entscheidung von Williams, Augustus selbst erst ganz am Schluss zu Wort kommen zu lassen, ist sehr geschickt. Bis zu diesem Kapitel werden die Ereignisse immer aus der Sicht von anderen Personen dargestellt, wodurch natürlich immer deren subjektive Bewertung und Ansicht miteinfließt. Mir hat dieses letzte Kapitel aus der Perspektive von Augustus am besten gefallen. Es hat viele philosophisch angehauchte Einschübe und lässt vergangene Ereignisse in einem völlig anderen Licht dastehen. Hier zeigt sich, dass selbst Jugendfreunde Augustus nicht immer richtig einschätzen konnten und sein Verhalten anders interpretiert hatten.

Es ist ein Glück, dass die Jugend nichts weiß von ihrer Ignoranz, denn täte sie es, fände womöglich niemand den Mut, sich das Durchhalten zur Gewohnheit werden zu lassen. Vielleicht ist es in Fleisch und Blut verankerter Instinkt, der diese Einsicht verhindert und so dem Jungen erlaubt, zum Mann heranzureifen, der dann die Unsinnigkeit der eigenen Existenz begreift.

Der letzte Brief von Augustus ist zudem nicht frei von Selbstkritik. Er, der sein privates Leben und seine Karriere dem römischen Reich geopfert hat und immer für Ruhe und Frieden gekämpft hat, muss einsehen, dass er damit nicht das richtige Ziel verfolgt hat.

In den letzten Jahren kam mir immer mal wieder der Gedanke, dass der dem Menschen angemessene Zustand, also jener, in dem es ihm am besten geht, gar nicht ein Leben in Wohlstand, Frieden, und Harmonie ist, wie ich es für Rom mit all meinen Anstrengungen herbeizuführen suchte.

Zudem legt Williams hier Augustus, mit einem Augenzwinkern, eine hohe Bewunderung und Wertschätzung für Dichter in den Mund.

Ich vermute, ich habe die Dichter bewundert, weil sie in meinen Augen die freiesten und folglich warmherzigsten Menschen waren, und ich habe mich ihnen nahe gefühlt, weil ich in den Aufgaben, die sie sich setzten, eine gewisse Ähnlichkeit mit jener Aufgabe sah, die ich mir vor so langer Zeit gestellt hatte.

Jeder der drei Teile zeigt eine Veränderung die Augustus mit der Zeit durchmacht. Zunächst als unscheinbarer, kränklicher Junge der aus Willenskraft und Pflichtgefühl zum Herrscher eines Weltreiches aufsteigt. Im zweiten Teil der Augustus, der zum Wohle des Staates Entscheidungen treffen muss, die ihn persönlich schmerzen. Hier scheint Augustus als Mensch Rom selbst zu sein und den Staat selbst zu verkörpern. Und zuletzt in seinem Brief an seinen Freund als alter Mann, der melancholisch Bilanz zieht, dem bewusst ist, wie vergänglich die Gegenwart ist und das sein Werk ebenso wie Rom untergehen werden.

Die Balance zwischen historischen Ereignissen, und dem Versuch hinter die politischen Verflechtungen und Auseinandersetzungen zu blicken und dem Ganzen persönliche Motive, Gefühle und Gedanken hinzuzufügen, ist gut gelungen. Und es lassen sich auch Gemeinsamkeiten mit anderen Werken von Williams feststellen. Etwa der Kampf zwischen einem einzelnen Menschen und einer Institution.

Vielschichtiger Briefroman

Augustus hat mir ebenso wie die anderen Werke von John Williams sehr gut gefallen. Vor allem die gewählte Form, die es ermöglicht, Ereignisse aus der Sicht von verschiedenen Personen darzustellen und den Geschehnissen so eine besondere Tiefe verleiht, ist eine große Stärke des Romans. Ebenso gut durchdacht ist es, Augustus selbst das abschließende Kapitel zu überlassen und mit seinen Darstellungen und Gedanken das Buch zu beenden. Somit ist dieser letzte Roman von John Williams mit seinem historischen Hintergrund, aber zeitlosen Themen, ebenso hervorragend gelungen wie seine anderen Werke und absolut lesenswert.

5sterne

3 comments

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  1. Paula

    Danke Dir für diesen wunderbaren Tipp. Das Buch ließ mich eintauchen in die damalige Zeit, die der heutigen in vielen Facetten so ähnlich, doch so anders ist. Aber das Menschliche bleibt.

    Gefällt 1 Person

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