Mathias Énard – Erzähl ihnen von Schlachten, Königen und Elefanten

 

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Michelangelo zwischen Orient und Okzident

Im Jahr 1506 folgt Michelangelo der Einladung des Sultans Bajezid II. nach Konstantinopel, um in dessen Auftrag eine Brücke über das Goldene Horn zu bauen. Die Stadt ist ein kosmopolitisches und tolerantes Weltzentrum, in dem sich alle frei bewegen dürfen. Zunächst hat Michelangelo keine Idee für den Brückenbau und streift scheinbar ziellos durch die fremde Stadt. Erst nachdem er das Nachleben der Stadt kennenlernt, entsteht in ihm eine Vision für seine Brücke. Eine Brücke, die Orient und Okzident verbinden soll.

Es passiert selten, dass mich ein Buch ab dem ersten Satz so in seinen Bann zieht wie hier: Die Nacht geht nicht in den Tag über. Sie verbrennt in ihm. Man legt sie auf den Scheiterhaufen der Morgenröte. Und mit ihr zusammen ihre Bewohner, die Trinker, Dichter, Liebenden.

Obwohl der Roman Erzähl ihnen von Schlachten, Königen und Elefanten nur 170 Seiten hat, hatte ich nach dem Lesen das Gefühl, dass es dem Autoren gelungen ist, alles Wichtige geschrieben zu haben. Im Mittelpunkt der Handlung steht Michelangelo, der, nach Streitigkeiten mit dem Papst, im Sultan einen neuen Auftraggeber findet. Doch ebenso wie Michelangelo spielt Konstantinopel eine große Rolle im Buch. Mir hat es unglaublich viel Freude gemacht, mit Michelangelo, der aus dem katholischen Italien stammt, durch die neue Stadt zu streifen und ich hatte durch den wunderbaren Stil des Autors, der häufig sehr bildhaft ist, ein wirklich tolles Leseerlebnis. Die Stadt erscheint dem Künstler zunächst fremd. Manchmal hatte ich das Gefühl, er schwankt zwischen Begeisterung und Verstörtheit. Damit er die Stadt und ihre Bewohner besser verstehen kann, streift er mit dem Dichter Mesihi bei Tag und Nacht durch die Straßen. Aber nicht nur für das Verständnis der Stadt wird Mesihi eine tragende Rolle spielen…Mathias Énard hat aber nicht nur einen Roman über die Architektur, in diesem Fall den Brückenbau, geschrieben, sondern ebenso einen Künstlerroman, der den kurzen Aufenthalt Michelangelos in Konstantinopel sehr eindrücklich beschreibt. Dass der Autor fundierte Kenntnisse in der orientalischen Kultur und Geschichte besitzt, merkt man dem Buch deutlich an, weshalb es sehr authentisch wirkt. Die Geschichte, die Énard hier erzählt, wirkt bisweilen fragmentarisch, aber ebenso rätselhaft wie letztlich tragisch. Vieles wird nur zwischen den Zeilen angedeutet und doch reicht es völlig aus, um die Charaktere zu verstehen und ihnen näher zu kommen.

Das Ganze ist dazu, wie bereits angedeutet, in einer wunderbaren Sprache geschrieben, die dazu verleitet, mit Absicht langsam zu lesen, damit das Erlebnis nicht zu schnell vorbei ist. Jedes Wort scheint an genau dem richtigen Ort platziert zu sein und kein Satz war mir zu viel.

Wunderbarer historischer Roman fernab von Klischees

Mit seinem Roman Erzähl ihnen von Schlachten, Königen und Elefanten ist Mathias Énard etwas wirklich Außergewöhnliches gelungen: Ein historischer Roman fernab der üblichen Klischees mit einem spannenden und zeitlosen Thema. Dazu kommt ein Stil, der das Buch für mich zu einem besonderen Leseerlebnis gemacht hat.

 

5sterne

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