Der Exorzismus der Sierva María
Kolumbien, Ende des 18. Jahrhunderts. In Cartagenas de India, der Stadt der spanischen Vizekönige, lebt der Marqués de Casalduero mit seiner Frau Bernarda und der gemeinsamen Tochter Sierva María de Todo los Angeles. Die 12-jährige Sierva María wird von den Sklaven des Hauses großgezogen, da ihre Mutter sie nicht ausstehen kann. Sie lernt die eingeborenen Sprachen und Riten und ist davon überzeugt, dass sie mit Dämonen kommunizieren kann. Eines Tages wird sie im Dorf von einem tollwütigen Hund gebissen. Ihr Vater, der Marqués, beschließt daraufhin, sie diversen Heilprozeduren zu unterziehen, bei welchen Sierva María tobt, kratzt und schreit. Für den Bischof steht fest: Das Mädchen leidet nicht an Tollwut, sondern ist von Dämonen besessen. Er schickt Sierva María in ein Kloster, in dem sie von Pater Cayetano Delaura exorziert werden soll – der Beginn einer verhängnisvollen Liebe.
Gabriel García Márquez Roman Von der Liebe und anderen Dämonen ist trotz seiner Kürze sehr vielschichtig. Auf der einen Seite erzählt er die Liebesgeschichte von Sierva María und Pater Delaura. Anfänglich sind Delauras Gefühle für das Mädchen unerwidert, er fühlt sich von der mysteriösen und starken Schönheit angezogen, weiß aber gleichzeitig, dass diese Gefühle nicht sein sollten. Auf der anderen Seite erfahren wir aber auch unglaublich viel über die kolumbianische Gesellschaft des 18. Jahrhunderts. Márquez zeichnet ein kritisches Bild der Stadt, die zu der Zeit für ihren Sklavenhandel berühmt ist. Er prangert die Dekadenz der spanisch-kreolischen Aristokratie an, die im deutlichen Kontrast zum Leben der Sklaven steht. Ebenfalls kritisiert er die Inquisition, auf der natürlich der größte Fokus liegt: Der Bischof und die Nonnen im Kloster beharren darauf, dass Sierva María vom Teufel besessen sei und dafür gibt es nur einen einzigen Ausweg, der jedoch schwerwiegende Folgen haben könnte.
García Márquez zeigt hier erneut, warum er den Literaturnobelpreis verdient erhalten hat. Seine wunderschöne und bildhafte Sprache hat mich von der ersten Seite an ins Cartagena des 18. Jahrhunderts versetzt. Auch wenn man sich schon früh denken kann, was mit Sierva María passiert, hat mich ihre Geschichte von Anfang bis Ende gefesselt und als ich den letzten Satz verschlungen und das Buch zugeschlagen habe, musste ich direkt nachsehen, welchen Roman dieses meisterhaften Schriftstellers ich als nächstes lesen wollte. Es war mein erster Márquez und ich war hin und weg. Wer Hundert Jahre Einsamkeit und Liebe in Zeiten der Cholera mochte, wird auf gar keinen Fall enttäuscht sein.
Ein viel zu kurzes Lesevergnügen
Obwohl ich oft hispanische Autoren lese, war die Thematik des Exorzismus in Kolumbien eine völlig neue und spannende für mich. Gabriel García Márquez erschafft in Von der Liebe und anderen Dämonen mit seinem unverwechselbaren Schreibstil ein eigenes kleines Universum, in das man als Leser sofort hineintaucht. Ich hätte gerne noch weitere 300 Seiten über dieses faszinierende Mädchen Sierva María de Todo los Angeles gelesen.
Viel schöner als die gebundene Ausgabe oder das Taschenbuch finde ich übrigens die der Fischer Taschenbibilothek, welche ich mir geholt habe. Das Buch passt selbst in die Jackentasche und ist somit der ideale Begleiter für Bus- und Bahnfahrten. (Aber Achtung, nicht die richtige Haltestelle verpassen!)
[…] Doch Pater Cayetano Delaure, ihr Exorzist, verliebt sich in das schöne Mädchen. Und ihre Leidenschaft wird beiden zum Verhängnis […]
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