Düster und voller Gewalt: Cormac McCarthy setzt sich in Kein Land für alte Männer erneut mit der Dunkelheit auseinander.
In der texanischen Wüste stößt der Jäger Llewelyn auf ein Blutbad, das Resultat eines gescheiterten Drogendeals. Er findet zerschossene Pick-ups, Leichen und am Ende einer Blutspur entdeckt er einen Koffer mit über 2 Millionen Dollar. Llewelyn beschließt, das Geld zu behalten und begeht den Fehler, in der Nacht zum Tatort zurückzukehren. Er gerät in das Visier verschiedener Banden und eines Psychopathen.
Mit seinem von den Coen-Brüdern verfilmten Roman Kein Land für alte Männer kehrt Cormac McCarthy in das Western-Genre zurück. Das Buch ist ähnlich düster und fast schon so apokalyptisch wie sein Meisterwerk Die Abendröte im Westen. Obwohl eigentlich nach dem Fund des Geldes Llewelyn und dessen Flucht mit seiner Frau im Mittelpunkt stehen, wird die Geschichte aus der Sicht des Weltkriegsveteranen Sheriff Bell erzählt, der aus persönlichen Gründen nach Wiedergutmachung sucht.
Ich glaube, ich weiß, wohin es mit uns geht. Wir werden mit unserem eigenen Geld gekauft. Und es sind nicht bloß die Drogen. Da draußen werden Vermögen angehäuft, von denen kein Mensch weiß. Was glauben wir eigentlich, zu was dieses Geld führen wird? Geld, mit dem man ganze Länder kaufen kann. Das ist ja auch schon passiert. Kann man auch dieses Land damit kaufen? Ich glaube nicht.
Sowohl Bell als auch Llewelyn stehen dem jähen und brutalen Gewaltausbruch in ihrer texanischen Provinz hilflos gegenüber. Die eigentliche Handlung wird immer wieder durch innere Monologe Bells unterbrochen, der vergeblich nach einem Grund für die sinnlose Gewalt sucht, die immer mehr Leben kostet. Besonders das Vorgehen des Psychopathen Chigurh, der seine Opfer mit einem Bolzenschussgerät ermordet und ohne Emotionen nach seinen eigenen Regeln handelt, führt bei den Ermittlern (und Lesern) zu Verstörung.
Wie es McCarthys Art ist, wird hier kein Wort zu viel oder zu wenig benutzt. Die Dialoge sind eher knapp gehalten und spiegeln das Verstummen und Entsetzen der Figuren, die für die plötzlich einsetzende Gewalt keine Worte mehr finden. Hier versagen alle Erklärungen.
Bis vor drei Wochen war ich ein gesetzestreuer Bürger. Hab von neun bis fünf gearbeitet. Oder vielmehr von acht bis vier. Was einem so passiert, passiert einfach. Es fragt einen nicht vorher. Es bittet einen nicht um Erlaubnis.
Die sprachliche Präzision und gleichzeitige Kargheit, mit der McCarthy seine Handlung vorantreibt, ist beeindruckend und ist wie fürs Kino gemacht (was zum Glück bereits passiert ist). Der Leser wird dabei immer tiefer in den Strudel der Gewalt hineingezogen, aus dem es für Llewelyn keinen Ausweg mehr gibt. In den Monologen des Sheriffs kommt der Glaube zum Vorschein, dass früher alles besser war, die Menschen sich noch an Gesetze hielten und es immer einfache Antworten gab. Doch ihm ist selbst klar, wie falsch er damit liegt. Eine Erklärung für die Gewalt liefert der Autor nicht und ist gleichzeitig in der Darstellung nicht pathetisch. Die Gewalt scheint direkt aus einem Albtraum zu kommen.
Irgendwo da draußen gibt’s einen wahrhaftigen, lebendigen Propheten der Vernichtung, und dem will ich mich nicht stellen. Ich weiß, es gibt ihn wirklich. Ich habe seine Werke gesehen. Ich bin ein einziges Mal vor diese Augen hingetreten. Das tue ich nie wieder.
Mit seinem szenisch geschriebenen Roman Kein Land für alte Männer hat Cormac McCarthy die perfekte Vorlage für den gleichnamigen Film geliefert. Durch die Inszenierung und sprachliche Präzision lässt er Leser genauso sprachlos zurück wie seine Figuren, die angesichts der Brutalität zu verstummen scheinen. Am Ende erreicht er nicht ganz das Niveau von Die Straße und Die Abendröte im Westen. Dafür ist dieser Roman zugänglicher und setzt sich ebenso mit philosophischen Fragen auseinander, wenn auf melancholische und düstere Weise.
Das Cover find ich ja eigentlich ganz gut gemacht, nur warum musste auch noch ein Blurb dabei sein? Ist auf der Rückseite kein Platz?
Auf jeden Fall scheint das Buch zu Recht verfilmt worden zu sein, wenn man Deine Zeilen liest.
LikeGefällt 1 Person
Der Blurb hätte wirklich nicht sein müssen, hinten steht auch noch einer. Ich finde auch die alten Ausgaben schöner.
LikeGefällt 1 Person
[…] Mitten in der texanischen Wüste stößt der Jäger Llewelyn auf mehrere Leichen – die Folgen eines gescheiterten Drogendeals. Außerdem nimmt er knapp zwei Millionen Dollar an sich, was bald zu seiner Verfolgung führt. Kein Land für alte Männer ist ein exzellenter szenischer Neo-Western, der in einem ebenso knappen wie eindrucksvollen Stil geschrieben ist. Typisch für McCarthy kommt es zu einigen brutalen Gewaltausbrüchen. Insgesamt ist der Roman zugänglicher als seine anderen Bücher und setzt sich auf melancholische Weise mit philosophischen Fragen auseinander. Zur Rezension gelangt ihr hier. […]
LikeLike
[…] Cormac McCarthy – Kein Land für alte Männer […]
LikeLike