Haruki Murakami – 1Q84. Buch 1 und 2.

 

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Von 1984 in eine andere Wirklichkeit

Lange habe ich gezögert, ob ich mich wirklich an 1Q84 heranwagen soll oder nicht. Viele Rezensionen haben mich abgeschreckt, weil sie sagen, dass es total zäh und langatmig sei; andere beklagen, dass sie es irgendwie nicht so richtig verstanden hätten. Ungefähr die Hälfte der Murakami-Leser im Internet ist begeistert oder glücklich, die andere Hälfte ist der Meinung, dass dies eins seiner schwächsten Bücher sei. Dazu gesellt sich die Tatsache, dass allein Buch 1 und 2 tausend Seiten haben – also nicht mal eben ein Büchlein für zwischendurch. Trotzdem hat es mich irgendwann so sehr in den Fingern gejuckt, dass ich unbedingt versuchen wollte, 1Q84 zu bewältigen.

Aomame ist eine eiskalte Auftragskillerin, die ihre Opfer so zur Strecke bringt, dass es wie ein natürlicher Tod aussieht. Tengo, seines Zeichens erfolgloser Schriftsteller, soll dabei helfen, das geniale Buch einer siebzehnjährigen Schülerin zu überarbeiten, damit es ein Bestseller werden und den Literaturpreis abräumen kann. Die Schicksale der beiden sind miteinander verwoben – in einer Welt, welche nicht die unsere ist und auf den Namen 1Q84 hört – und ihre Bedeutung für die Welt ist ungeheuer groß.

Es ist sehr schwierig, dieses Buch zusammenzufassen, ohne zu viel vom Inhalt preiszugeben. Auf den über 1000 Seiten passiert einiges, aber im Vergleich zu anderen Romanen (auch Murakamis) eher wenig. Ich kann gut nachvollziehen, wenn es sich für so manchen Leser zu sehr zieht und er gelangweilt die Seiten überfliegt, sich weiter durchquält oder gar abbricht. In HBW oder den Schafsbüchern geht es ab Seite 250 richtig rund; hier, in 1Q84, fehlt es zwar nicht an Action, allerdings geht es in einem ganz anderen Tempo voran, als man es sonst von dem Autor kennt. Ich persönlich finde, dass es zwar ein langsameres Buch ist, aber keinesfalls ein langweiliges. Ein Geheimnis nach dem anderen lüftet sich in Murakamis gewohnt surrealer und interessanter Welt. Dadurch blieb für mich die Spannung konstant erhalten, es gab immer einen neuen Punkt, den ich aufgeklärt wissen wollte. Wer bis zum Ende von Buch 2 durchhält, wird feststellen, dass es genauso verrückt ist wie Kafka am Strand und Co.

Sprachlich ist es wieder ein typischer Murakami. Und auch die Charaktere sind wie immer liebevolle Durchschnittsmenschen, die ein besonderes Talent besitzen und, vom Schicksal gebeutelt, ihre große Aufgabe erfüllen müssen. Auch die Nebencharaktere sind schräg wie eh und je, von der kaum sprechenden exzentrischen Schriftstellerin Fukaeri, über den homosexuellen aber knallharten Leibwächter, bis zu der alten Damen mit den dunklen Geheimnissen. Wer andere Bücher des Autors gelesen hat, weiß, was ihn hier erwartet und kann zumindest in dieser Hinsicht nicht enttäuscht werden.

Mit 60 km/h in den Surrealismus

Meines Erachtens ist das Einzige, was in 1Q84 nachgelassen hat, das Tempo. Ob sich meine Begeisterung hält, werde ich endgültig erst nach Buch 3 sagen können. Fakt ist allerdings, dass ich mich jetzt schon wahnsinnig darauf freue, weiterzulesen, da Buch 2 richtig spannend endet und ich endlich noch mehr in die Geschichte hineingezogen werden und all die verrückten Dinge aufdecken möchte.

Für Murakami-Neulinge ist 1Q84 vermutlich kein guter Einstieg. Eingefleischten Fans allerdings öffnet sich hier ein neues spannendes und gewohnt abgedrehtes Universum, das jedoch mit deutlich gedrosseltem Tempo wohl nicht jeden Leser begeistern dürfte.

 

4,5sterne

4 comments

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  1. Haruki Murakami – Kafka am Strand – Letusredsomebooks

    […] 1Q84 mag mit seinen drei Teilen, der schieren Länge von insgesamt über 1500 Seiten und der teilweise langsam voranschreitenden Handlung nicht einfach zu lesen sein, doch für mich persönlich ist Kafka am Strand das herausforderndste von Murakamis Büchern. Wer noch nicht allzu vertraut mit seinen Werken ist, wird das gemächliche Tempo der ersten ca. 300 Seiten vielleicht langweilig finden und sich nicht mit den merkwürdigen Figuren und Ereignissen anfreunden können. Ich jedoch hatte mehr Schwierigkeiten mit den Sexszenen, von denen ich zwei als recht unangenehm empfand, und vor allem auch mit der Beziehung zwischen dem erst 15-jährigen Kafka und der über 50-jährigen Saeki. […]

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