Thomas Pynchon – Gegen den Tag

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©Rowohlt Verlag

Von den USA nach Europa und noch viel weiter

Der Roman umspannt die Zeit zwischen der Weltausstellung in Chicago im Jahr 1893 und den Jahren nach dem ersten Weltkrieg. Er führt von Colorado über London und Göttingen, auf den Balkan, nach Venedig, Sibirien und zu einigen Orten, die sich nicht auf Landkarten finden lassen. Die eigentliche Handlung ist nur schwer zu beschreiben. Eigentlich sind es viele verschiedene Geschichten, die mal nebeneinander herlaufen und dann zueinander finden. Eine junge Frau sucht nach ihrer Mutter, die ihren Vater für einen Zauberer verlassen hat. Zwei Brüder suchen nach dem Mörder ihres Vaters, der außerdem ihre Schwester geheiratet hat. Daneben gibt es zahlreiche weitere Handlungsstränge, die mit den bereits genannten zusammenlaufen.

Wer sich auf Thomas Pynchons Roman Gegen den Tag einlässt, hat sowohl viel Arbeit, als auch viel Spaß vor sich. Immerhin sind knapp 1600 Seiten zu bewältigen, die aber jede Mühe wert sind. Was das Lesen zusätzlich erschwert ist der hohe Detailreichtum und eine Fülle an Personen (leider gibt es kein Personenverzeichnis, was sehr hilfreich gewesen wäre) und jede Menge Anspielungen auf die Geschichte, Gesellschaft, Politik und Wissenschaft der beschriebenen Zeit. Die Figuren diskutieren zum Beispiel ausführlich über die Frage nach der Existenz des Äthers, über den Anarchismus und die Hohlwelttheorien, um nur einige Beispiel zu nennen. Ein wenig Vorwissen kann hier mit Sicherheit nicht schaden.

Zugegeben, bis jetzt klingt das alles eher trocken und nicht wie einer der besten Romane, die ich bis jetzt in meinem Leben gelesen habe. Es ist einfach toll wie Pynchon es schafft, einen Roman zu entwickeln, der mal Western, mal Thriller, mal Familiengeschichte und dann wieder eine Liebesgeschichte ist. Daneben ist die sprachliche Gestaltung außerordentlich gut. Auch seitenlange Beschreibungen von wissenschaftlichen Erkenntnissen oder Diskussionen lesen sich interessant und abwechslungsreich. Eine weitere Stärke ist die Gestaltung der Figuren. Sehr abwechslungsreich und mit einer interessanten Biografie ausgestattet, macht es Spaß den vielen Charakteren durch die Welt zu folgen und ihre Entwicklungen zu verfolgen, die durchaus auch sehr überraschend waren. Daneben gibt es viele weitere Aspekte, wie die Besatzung eines Luftschiffes, die immer wieder vorkommt, welche den Roman zu einem wundervollen Leseereignis machen. Die Phantasie des Autors scheint fast unbegrenzt zu sein und einige Passagen sind sehr humorvoll gestaltet, was das Ganze ein wenig auflockert.

Durchhalten lohnt sich

Zugegeben, der Einstig in Gegen den Tag ist alles andere als einfach, aber es lohnt sich wirklich. Wer sich einmal hineingefunden hat, wird mit vielen Geschichten und Charakteren voller kleiner aber feiner Details belohnt, die von einer wunderbaren Sprache umrahmt werden. Die 1600 Seiten sind natürlich zunächst etwas abschreckend, aber ich habe jede einzelne davon genossen und hatte nie das Gefühl, etwas sei überflüssig oder fehl am Platz.

Kleiner Tipp: Es gibt zu dem Buch ein eigenes Wiki (allerdings auf Englisch), das beim Lesen sehr hilfreich sein kann und die vielen Anspielungen und Hintergründe der Geschichten erklärt und so das Verständnis beim Lesen deutlich einfacher macht.

5sterne

4 comments

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  1. Manfred Voita

    Klasse! An Pynchon habe ich schon lange nicht mehr gedacht, obwohl mir gerade einfällt, dass Denis Scheck ihn glaube ich in Druckfrisch auch empfohlen hat. Aber nach dieser Rezension habe ich Lust darauf, mir den Roman zu kaufen – falls es ihn schon als Taschenbuch gibt, sonst muss er Weihnachten auf die Wunschliste. Danke!

    Gefällt 1 Person

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