Buchmesse Spezial: Kanadische Literatur

Frankfurter Buchmesse Kanadische Literatur

Die Frankfurter Buchmesse 2021 steht bevor: Vom 20. bis zum 24. Oktober findet DAS Event der Literaturbranche statt. In diesem wie auch bereits im letzten Jahr ist Kanada das Gastland. Seit jeher steht das Land trotz weltbekannter und renommierter Künstler*innen wie Margaret Atwood, Alice Munro, Neil Young, Joni Mitchell oder Leonard Cohen ein wenig im Schatten seines unmittelbaren Nachbarn, den Vereinigten Staaten. Doch als vielseitiges, lebendiges und multikulturelles Land bietet Kanada eine breite Literaturlandschaft und viele interessante Autor*innen, die es zu entdecken gilt. Einige von ihnen möchten wir euch mitsamt ihrer Werke im Folgenden vorstellen.

Carlos Ruiz Zafón – Der Friedhof der vergessenen Bücher

Carlos Ruiz Zafón Der Friedhof der vergessenen Bücher Rezension

Carlos Ruiz Zafóns Geschenk an seine Leser*innen: Der Friedhof der vergessenen Bücher ist ein gelungener Abschied des verstorbenen Autors.

Der junge David Martín verliebt sich in das mysteriöse Mädchen Blanca, die kleine Laia wird von ihrem Vater als Tochter-Ersatz an eine fremde Familie verkauft und der Schriftsteller Miguel de Cervantes geht einen gefährlichen Pakt ein, um endlich erfolgreich zu sein. In elf mal kürzeren, mal längeren Erzählungen entführt uns der spanische Altmeister der modernen Schauergeschichten erneut nach Barcelona.

Weit hinten wucherte das Viertel Poble Nou einem Horizont aus Asche und Schatten entgegen. Die Stadt der Fabriken zeichnete den dunklen Widerschein eines von Schloten entflammten Barcelonas, die zu Hunderten ihren schwarzen Atem in den scharlachroten Himmel ausdünsteten.

Douglas Stuart – Shuggie Bain

Douglas Stuart Shuggie Bain Rezension

Zwischen Elend, Gewalt, Hoffnung und tiefer Zuneigung: Douglas Stuarts Debütroman Shuggie Bain über eine verzweifelte Mutter-Sohn-Beziehung geht nahe und bleibt noch lange in Erinnerung.

Umgeben von der Armut einer Arbeiterfamilie ist Shuggie anders: zart, gefühlvoll und feminin. Er wächst in den 80er Jahren in Glasgow auf, wo die Wirtschaftskrise allgegenwärtig ist. Seine Mutter ist die einzige, die ihn zu verstehen scheint. Sie trotzt der grauen Wirklichkeit durch auffälliges Makeup und glamouröse Kleidung – und sucht immer mehr Zuflucht im Alkohol. Shuggies Ziel ist es, sie zu beschützen, mit unerschütterlicher Liebe und großer Hingabe. Eine Aufgabe, an der letztlich scheitern muss.

Haemin Sunim – The Things You Can See Only When You Slow Down

Haemin Sunim The Things You Can See Only When You Slow Down Rezension

In The Things You Can See Only When You Slow Down schreibt  der südkoreanische buddhistische Mönch Haemin Sunim in Anekdoten, Zitaten und Ratschlägen über das moderne hektische Leben und die Vorteile, zu entschleunigen, die Dinge aus der Distanz zu betrachten und die Schönheit in unserem Alltag zu entdecken. Dieses wundervolle Büchlein ist 2012 erstmals erschienen und stand ganze 41 Wochen lang in Südkorea auf dem ersten Platz der Bestsellerliste, während es gleich mehrere Preise für das beste Buch des Jahres abgeräumt hat. Ich habe es in einer absolut herrlichen Ausgabe von Penguin mit Illustrationen von Young-Cheol Lee.

Patrícia Melo – Gestapelte Frauen

Patricia Melo Gestapelte Frauen Rezension

Patrícia Melo hat mit Gestapelte Frauen einen wichtigen brasilianischen Roman geschrieben – sprachlich und inhaltlich eine Wucht.

„Sind das Einzelfälle?“, fragte die Frau der Grünen Steine.
„Nein“, antwortete ich. „Das Gemetzel hat System.“
„Dann ist es ein Krieg“, sagte die Frau der Grünen Steine.
„Eine Epidemie“, behauptete eine schwangere Frau.
Ich sagte: „Tatsache ist, dass die Männer töten und wir sterben.“

Megan Hunter – Die Harpyie

Megan Hunter Die Harpyie Rezension
Megan Hunters Roman Die Harpyie erzählt eindrücklich und hypnotisch von einer gescheiterten Ehe und einer Frau, die langsam aber sicher an ihrer Rolle als Ehefrau und Mutter zerbricht.

Die Harpyie ist eine Expertin im Stehlen. […] Sie fährt herab wie eine Sturmbö: nimmt alles fort.

Lucy ist gefangen in ihrer Rolle als Ehefrau und Mutter in einer englischen Kleinstadt – bis sie eines Tages herausfindet, dass ihr Ehemann Jake sie mit einer Arbeitskollegin betrügt. Um ihre Ehe zu retten, einigen sich die beiden, dass Lucy Jake dreimal Schmerzen zufügen darf. Wie, ist ihr frei überlassen und soll für Jake überraschend kommen. Doch ist es genug, die eigenen Rachefantasien auszuleben, um die verlorengegangene Vertrautheit wiederherzustellen?

Gabriel Josipovici – Wohin gehst du, mein Leben?

Gabriel Josipovici Wohin gehst du, mein Leben? Rezension

Gabriel Josipovici erzählt in Wohin gehst du, mein Leben? von Routinen und einem scheinbar klaren Lebensweg. Ein Roman voller Poesie und Vieldeutigkeit.

Nach dem Tod seiner ersten Frau ist er von London nach Paris gezogen, später, mit seiner zweiten Frau, von Paris nach Wales. Überall lebt er zurückgezogen als Übersetzer aus dem Französischen, mit festen Routinen und Abläufen. Als Kenner von Musik und Literatur ist er ein Mann mit festen Meinungen. Was und wie er ist, ist er scheinbar schon immer gewesen und mit seinem Tun ist er bereits länger beschäftigt, als er sich erinnern kann.

Bae Suah – Untold Night and Day

Bae Suah Untold Night and Day Rezension

Bae Suahs kurzer Roman Untold Night and Day liest sich wie ein fiebriger Traum in einer heißen Sommernacht.

Ayami arbeitet in einem Audiotheater in Seoul, in dem Performances für blinde und sehbeeinträchtigte Menschen stattfinden. Es ist ein ruhiger Job, denn nicht viele Leute wissen um die Existenz des Theaters. In diesem unglaublich heißen und stickigen Sommer jedoch findet die letzte Aufführung statt und das Theater muss für immer schließen. Ayami fühlt sich verloren, bis ihre Bekannte und Deutschtutorin sie mit der Aufgabe betreut, einen ausländischen Poeten am Flughafen abzuholen und in Seoul zu begleiten. Doch bei ihrer Rückkehr zu ihrem Apartment müssen die beiden feststellen, dass die Frau spurlos verschwunden ist.

Oyinkan Braithwaite – Meine Schwester, die Serienmörderin

Oyinkan Braithwaite Meine Schwester die Serienmörderin Rezension

Oyinkan Braithwaites Roman Meine Schwester, die Serienmörderin ist bizarr, düster, rasant und amüsant – und damit beste Unterhaltung für Zwischendurch.

Korede und ihre jüngere Schwester Ayoola haben ein angespanntes Verhältnis: Ayoola ist deutlich hübscher, beliebter, geht völlig egozentrisch und ignorant durchs Leben – und hat ihren dritten Freund ermordet. Trotz ihrer Differenzen hält Korede zu ihrer Schwester und hilft ihr jedes Mal aus. Die Krankenschwester ist geübt darin, blutige Spuren zu verwischen und zeigt ein erstaunliches Talent bei der Beseitigung der Leichen und der Tatortreinigung. Doch die Spannungen zwischen den beiden ungleichen Schwestern werden größer, als Ayoola an Koredes Arbeitsplatz auftaucht und ein Auge auf deren Schwarm, den attraktiven Doktor, wirft. Was ist, wenn er ihr nächstes Opfer wird?

Haruki Murakami – Erste Person Singular

Haruki Murakami Erste Person Singular Rezension

Haruki Murakami ist zurück: Sein neuer Kurzgeschichtenband Erste Person Singular erzählt eindrucksvoll von den banalen und besonderen Momenten des Lebens.

Womöglich erscheint einem der Tod eines Traums trauriger als der eigentliche Tod.

Erste Person Singular ist eine Sammlung von acht Erzählungen, die von einfachen und besonderen Momenten im Leben ihrer Ich-Erzähler handeln. Eine Frau schenkt einem der Erzähler einen Gedichtband mit merkwürdigen Tankas, die von Enthauptungen handeln. Ein anderer Protagonist veröffentlicht einen Text über eine fiktive Bossa Nova-Platte Charlie Parkers, um ihn später genau diese Songs spielen zu hören, die es doch gar nicht gibt. Murakamis Kurzgeschichten zeigen uns auf so alltägliche und vertraute, gleichzeitig aber herrlich merkwürdige und spezielle Art verschiedene Facetten ihrer Erzähler – und ihres Autors selbst.