Ein Eisweiher bei Nacht, ein New Yorker Pub an einem verregneten Tag, eine junge, todkranke Frau in einer Klinik, zwei Pärchen, die sich auseinandergelebt haben, ein Mann, der mehr Liebe schenkt als er zurück bekommt, zwei verlorene Seelen, die zueinander finden und sich gegenseitig retten. Peter Stamms Kurzgeschichtenband Blitzeis nimmt seine Leser mit in die klaffende Leere des menschlichen Herzens.
Aber es war als entgleite mir die Stadt, während ich sie fotografierte, als erstarre sie schon jetzt zum Bild, zur Erinnerung.
Peter Stamms Protagonisten, sowohl seine Ich-Erzähler als auch deren Bekanntschaften, leben vollständig in der Gegenwart. Wir erhaschen nur einen kleinen Blick auf sie, auf einen einzelnen Moment in ihrem Leben, doch ihre Vergangenheit und ihre Zukunft bleiben uns verwehrt.
Wie auch in seinem Roman Agnes erzählt Stamm mit einer glasklaren Sprache, die von seidenen Fäden der Melancholie durchzogen ist. Zeitweise erinnert die Atmosphäre an Murakamis realistische Kurzgeschichten und Romane oder an Lieder von Gisbert zu Knyphausen. Stamms Themen sind allerdings auch eher negativ: Einsamkeit, ein tödlicher Unfall, Depressionen, eine unaufhaltbare Krankheit, Sehnsucht, bröckelnde Beziehungen. Der Klappentext spricht vom „flüchtigen Glück“, doch das scheint sich zu Beginn jeder der neun Stories schon verabschiedet zu haben.
In diesem Augenblick tat sie mir unglaublich leid und mit ihr die ganze Welt und ich mir selbst, und zugleich liebte ich sie mehr als jemals zuvor.
Obwohl nur wenige der Geschichten aus Blitzeis im Winter spielen, fühlen sie sich doch alle nach Winter an: kalt, von einer Traurigkeit durchzogen, wie ein Abendspaziergang im frisch herabfallende Schnee, wenn die Luft eisig ist und jegliches Geräusch gedämpft klingt, als wäre man gar nicht wirklich hier.
[…] In neun Erzählungen nimmt uns Peter Stamm mit in die eisige Kälte des menschlichen Herzens. Es geht immer um Einsamkeit, Sehnsucht, um tragische Schicksale und zerbrechende Beziehungen. Mit klarer Sprache und doch zärtlich wirft Stamm einen melancholischen Blick auf unsere Gesellschaft, in der das Glück nur flüchtig ist und immer eine schmerzende Leere hinterlässt. Einige Worte zu dem Kurzgeschichtenband findet ihr hier. […]
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Hallo,
von Peter Stamm habe ich bisher nur „Weit über das Land“ gelesen und geliebt (im Gegensatz zum Rest unseres Lesekreises, die fanden das Buch durchweg schlecht). Deswegen will ich noch mehr seiner Bücher lesen, und „Blitzeis“ wäre vielleicht ein schöner Anfang.
Schöne Rezension, knackig auf den Punkt gebracht. :-)
LG,
Mikka
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Ich habe mich bisher noch an keinen „längeren“ Roman von ihm gewagt, werde das aber irgendwann definitiv in Angriff nehmen. Ich glaube, die Erzählungen sind auf jeden Fall ein guter Einstieg in sein weiteres Werk, vor allem, da er neben „Blitzeis“ ja auch noch einige weitere Kurzgeschichtenbände verfasst hat.
Vielen lieben Dank für deinen Kommentar! :)
Nadine
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