Der April hielt einige tolle Leseerlebnisse für uns bereit sowie eine ziemliche Enttäuschung – und mit Houellebecqs Elementarteilchen auch einen Roman, der gar nicht so leicht zu besprechen ist. Folgende Bücher konnten uns im letzten Monat überzeugen oder auch nicht:
Mackenzi Lee – Kick-Ass Women: 52 Wahre Heldinnen
Dieses schöne illustrierte Buch aus dem Suhrkamp-Verlag erinnert an Good Night Stories for Rebel Girls. 52 Heldinnen der Geschichte werden hier porträtiert: ihr Leben und Schaffen wird übersichtlich und umgangssprachlich-locker zusammengefasst, begleitet werden die Texte von bunten und ausdrucksstarken Bildern der Damen. Namentlich bekannt war mir so gut wie keine der hier erwähnten Frauen, was mich besonders freut – dieses Buch lädt zum Entdecken und Inspiriertwerden ein. Ob eine Japanerin, die eine heimliche Ninjaschule nur für Frauen gründete, eine somalische Königin, die eine reine Frauenregierung etablierte, eine bisexuelle Opernsängerin und Fechterin oder die weibliche Leitende Ingenieurin der Brooklyn Bridge: hier sind Frauen aus allen Ländern und Bereichen vertreten, die man sich nur vorstellen kann. Und alle von ihnen sind verdammt coole Vorbilder.
Cixin Liu – Jenseits der Zeit
Da es sich um den dritten Teil einer Trilogie handelt, soll hier um Spoiler zu vermeiden nichts zum Inhalt gesagt werden. Inhaltlich verlief der Abschluss doch anders als ich es zunächst erwartet hatte. Die Schilderung der wissenschaftlichen Zusammenhänge und Visionen nimmt hier nochmal mehr Raum ein als in den Vorgängern. Je weiter die Zeit voranschreitet, hatte ich jedoch auch immer mehr Probleme, mit meiner Vorstellung den Schilderungen zu folgen. Dennoch war es ein insgesamt würdiger Abschluss der Trisolaris-Trilogie. Eine ausführliche Rezension folgt in den nächsten Tagen.
Haruki Murakami – Blinde Weide, Schlafende Frau
In 24 Kurzgeschichten, alle geschrieben zwischen 1983 und 2005, erzählt Haruki Murakami von Zwergtauchern, Privatdetektiven, armen Tanten, einem Eismann, einem Jagdmesser, einem besonderen Spiegel, von verschwundenen Menschen, verlorenen Träumen und einsamen Helden. Leider muss ich ehrlich sagen, dass dies der erste Kurzgeschichtenband von Murakami ist, der mich nicht hundertprozentig überzeugen konnte. Erst nach ungefähr der Hälfte des Buches haben die Stories ein gewohnt hohes Niveau erreicht, die ersten waren allerdings eher ganz nett zu lesen als herausragend. Hätte Murakami nur die zweite Hälfte als einzelnen Sammelband veröffentlicht, wäre ich definitiv ähnlich begeistert wie von Der Elefant Verschwindet, Von Männern, die keine Frauen haben oder Wie ich eines schönen Morgens im April das 100%ige Mädchen sah.
Juan Gabriel Vásquez – Die Gestalt der Ruinen
Der Autor ringt in seinem Roman mit der gewaltvollen Geschichte seines Heimatlandes Kolumbien, die er auch als sein eigenes Erbe und als prägend für seine eigene Biografie empfindet. Eingebettet in verschiedenen Erzählungen um bedeutende Politikermorde versucht er die Leerstellen zu beleuchten, ohne dabei Verschwörungstheorien als wahr zu verkaufen. Die Konstruktion der verschiedenen Zeitebenen und Zusammenhänge macht den Roman durchaus komplex. Das Ergebnis ist ein sowohl persönliches als auch spannendes Buch, das für mich sein bisher bestes Werk darstellt. Die komplette Besprechung findet ihr hier.
Karen Thompson Walker – The Dreamers/Die Träumenden
Es beginnt an einem College in Kalifornien, zuerst ist es nur eine einzelne Studentin. Sie fühlt sich müde, schlapp und fiebrig, doch als sie sich ins Bett legt, wacht sie nicht mehr auf. Immer mehr Menschen befällt diese seltsame Schlafkrankheit. Doch wie verbreitet sie sich? Ist sie tödlich? Wachen die Schlafenden irgendwann wieder auf? Und was träumen sie eigentlich?
Der Roman begleitet verschiedene Protagonisten der kalifornischen Kleinstadt, wie Collegestudentin Mei, den jungen Vater Ben oder die zwölfjährige Sarah, deren Vater sich schon seit Jahren auf mögliche drohende Katastrophen vorbereitet – doch auf diese ist er nicht gefasst. Die Handlung bleibt bis zum Ende spannend und wird vor allem auch durch Thompson Walkers intensiven Schreibstil vorangetrieben. Ein wirklich gutes Buch, das mich allerdings nicht komplett umhauen konnte. Eine Rezension folgt demnächst.
Rachel Cusk – Kudos
Um ihren neuen Roman vorzustellen, reist die Schriftstellerin Faye zu verschiedenen Orten, um die gebührende Anerkennung zu finden. Cusk erzählt mit einer ruhigen, lakonischen und sehr eigenen Stimme. Die Erzählerin schweigt fast den ganzen Roman über und lässt andere sprechen. Die Personen, auf die sie trifft, berichten von ihren Berufsleben aber auch von ganz persönlichen Umständen. Das Ergebnis sind intelligente und genaue Beobachtungen von Menschen und Situationen, die auf eine ganz einzigartige Weise erzählt werden. Der Anspruch des Romans ist hoch und hinter den Erzählungen liegt meist mehr, als auf den ersten Blick zu erkennen ist. In den nächsten Wochen gibt es eine längere Rezension.
Michel Houellebecq – Elementarteilchen
Die ungleichen Halbbrüder Bruno und Michel, der eine ein grundlegend frustrierter Lehrer mit zweifelhaften sexuellen Obsessionen, der andere ein fast vollkommen emotionsloser, isoliert lebender Molekularbiologe. Dieser Roman ist von Anfang bis Ende völlig faszinierend, die beiden gegenteiligen Brüder, ihre Wesenszüge und Gedanken, die mir kaum verständlichen naturwissenschaftlichen Ausflüge, die abartigen Sexfantasien und wirklich schockierenden Ereignisse, die Misogynie und Misanthropie Brunos… Bruno ist vermutlich einer der schrecklichsten Protagonisten, der mir in den letzten Jahren untergekommen ist (der Ich-Erzähler aus Faserland ist ein Schwiegermutterliebling dagegen), und stellenweise hat mich das Buch derart wütend gemacht und/oder abgestoßen – Wahnsinn! Houellebecq erlaubt sich einen absolut pessimistischen, gleichzeitig aber fast schon liebevollen Blick auf die Menschheit, eine scharfe Kritik an der 68er-Generation und auch an der heutigen kapitalistischen Gesellschaft. Das Buch ist dunkel, böse und dermaßen provokant, dass ich nicht anders kann, als begeistert zu sein. Eine ausführliche Besprechung versuche ich in den nächsten Tagen zu verfassen (ist aber wirklich nicht einfach bei diesem Roman).
Jaroslav Rudiš – Winterbergs letzte Reise
Dieser Roman war für mich die größte Enttäuschung in diesem Monat. Wenzel Winterberg überredet seinen Pfleger Jan Kraus mit ihm eine Eisenbahnreise zu machen, welche sie durch Mitteleuropa von Berlin nach Sarajevo führt. Die ständige Wiederholung der immer gleichen Stilmittel hat fast dazu geführt, dass ich den Roman nach 150 Seiten genervt abgebrochen hätte. Die Reise von Winterberg und Kraus durch die Geschichte Europas ist für mich dabei völlig untergegangen. Zwar ändert sich das nach einiger Zeit immerhin ein wenig, der insgesamt negative Eindruck blieb jedoch bestehen. Eine detaillierte Kritik erfolgt demnächst.
Die Kurzgeschichten von Haruki Murakami würden mich interessieren. :) Hab eure Rezension zu ihm gelesen und finde die Zitate echt schön über das Schreiben, das geht mir eigentlich auch so.
Liebe Grüße, Aurora von Weltentänzerin
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Ja cool, das freut mich sehr! Weißt du schon, mit welchem der Bände du anfangen möchtest? :)
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Leider nein, hast du eine Empfehlung? :D
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Ich würde „Der Elefant verschwindet“ oder !Wie ich eines schönen Morgens im April das 100%ige Mädchen sah“ zum Start nehmen! :) Sind beide nicht so lang (8 bzw. 9 Kurzgeschichten) aber für mich die besten!
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Cixin Lius Kurzgeschichten haben mir bisher alle super gefallen – doch an die enorm dicke Trilogie habe ich mich bisher noch nicht getraut. Bisher! Am Wochenende habe ich unverhofft den ersten Band günstig bei Oxfam erstehen können. Damit ist mein Lese-Schicksal wohl besiegelt! Ich bin schon sehr gespannt und freue mich auf spannende Lesestunden.
Liebe Grüße
Tina
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