© S. Fischer Verlag
New York in den 70ern, Punk und der große Blackout
New York City in der Neujahrsnacht 1977. Während ein Schneesturm über die Staat zieht und Feuerwerk den Himmel erleuchtet, fallen im Central Park Schüsse. Die Ereignisse dieser Nacht bringen eine Gruppe unterschiedlicher Menschen zusammen: die reichen Erben William und Regan Hamilton Sweeney, die Punk-Kids Sam und Charlie, die aus der Vorstadt stammen, Mercer, ein schwarzer Lehrer, der seit längerem versucht seinen ersten großen Roman zu schreiben, sowie den Reporter Richard und den älteren Cop Larry.
Obwohl der Aufhänger der Geschichte die Schüsse auf eine junge Frau sind, ist City on Fire, der Debütroman des Amerikaners Garth Risk Hallberg, keinesfalls ein Krimi. Vielmehr baut der Autor nach und nach ein großes Feld von Beziehungen zwischen den verschiedensten Personen auf, die alle mit der Frau in irgendeiner Weise bekannt waren und für die Vorkommnisse eine Rolle spielen. Die Protagonisten stammen aus völlig unterschiedlichen sozialen Milieus. Charlie etwa stammt aus der Vorstadt und wächst scheinbar behütet auf, bis er das Mädchen Sam kennenlernt, durch welche er nach und nach in die Punkszene einsteigt. Dort schließen sie sich der mysteriösen Untergrundorganisation der Posthumanisten an. Samantha studiert Fotographie und ist Verfasserin eines Magazins, in dem sie die Mitglieder einer Gruppe von Punks porträtiert und über Musik schreibt. Eines dieser Magazine ist als wunderbares Faksimile in dem Roman abgedruckt. Daneben gibt es noch weitere Grafiken, die durchgehend ansprechend und anspruchsvoll gestaltet sind. Weitere Protagonisten sind die beiden reichen Erben Regan und William. William selbst hat bereits mit seiner Familie gebrochen und lebt mit seinem Freund, dem Lehrer Mercer, als Künstler. In seiner Vergangenheit war er aber ebenso Mitglied der Punkband Ex Post Facto, die von Sam und Charlie bewundert wird. Neben dieser fiktiven Band spielen aber auch reale Musiker wie Johnny Thunders und vor allem Patti Smith eine wichtige Rolle. Und das sind nur ein paar Beispiele von geschickt eingewobenen Verknüpfungen zwischen den wichtigsten Personen, von denen es in diesem Roman einige gibt. So stehen neben der Suche nach dem Schützen auf die junge Frau eine Familiengeschichte und ein Finanzskandal im Mittelpunkt des Geschehens. Zudem gibt es zahlreiche Ausflüge in die Literatur-, Kunst- und Musikgeschichte.
Durch zahlreiche Rückblenden in das Leben seiner Protagonisten zeichnet der Autor wunderbar ihre Entwicklungsgeschichte nach. Doch nicht nur das, gleichzeitig gelingt es ihm auch gekonnt, daneben die Entwicklung der Gesellschaft darzustellen, wobei der Roman dadurch eine politische Dimension bekommt. Diese wird besonders deutlich in den Passagen die sich mit den Mitgliedern der Punkszene, in die Charlie einsteigt, auseinandersetzen. Die Rückblenden zeigen verschiedene Entwicklungsstufen der Personen auf und beschreiben einschneidende Erlebnisse, welche das Leben der Figuren geprägt haben. Aufgrund der nicht chronologischen Erzählweise waren für mich einige Überraschungen dabei. Durch die Vielzahl der handelnden Charaktere und die detaillierten Beschreibungen ist der Roman mit über 1000 Seiten sehr umfangreich. Und obwohl Hallberg eine große Anzahl von Protagonisten und deren Schicksale mit all ihren Schattenseiten ausführlich beschreibt, ist der heimliche Hauptcharakter doch die Stadt New York. So erscheint der Roman auch als eine Art Liebeserklärung an die Weltmetropole, die aber ebenso mit all ihren dunklen Ecken porträtiert wird. Denn das New York der 70er Jahre erscheint durch die Wirtschafts- und Finanzkrise kurz vor dem Ruin. Und während die Bronx brennt, hoffen Immobilieninvestoren auf den großen Gewinn. Höhepunkt des Romans ist schließlich der große Blackout von 1977, in dieser Nacht werden die verschiedenen Fäden der Handlung aufgenommen und miteinander vollends verknüpft und offene Fragen aufgelöst.
Tiefgehender Großstadtroman
Zugegeben, der Einstieg fiel mir etwas schwer. Doch nachdem ich nach und nach die Verknüpfungen zwischen den verschiedenen Personen hergestellt hatte, war es schwer, das Buch aus der Hand zu legen. Die verschiedenen Lebensgeschichten waren für mich unheimlich fesselnd und obwohl manche Figur zunächst wie ein Stereotyp erscheint, gelingt es dem Autor zum Glück, alle Protagonisten lebendig werden zu lassen. Doch neben den detailliert ausgearbeiteten Charakteren überzeugen auch die vielen Beschreibungen der Stadt New York, die das Buch auch zu einem Großstadtroman werden lassen. Insgesamt hat mir das Buch unheimlich gut gefallen und hätte trotz seiner Länge gerne länger im Jahr 1977 und in New York verweilt.