John Williams – Butcher’s Crossing

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© Deutscher Taschenbuch Verlag

Western, fernab von Klischees

1870 verlässt William Andrews die Universität und begibt sich, inspiriert von den Naturauffassungen Ralph W. Emersons, auf die Suche nach der Wildnis und seiner Beziehung zur Natur. In Butcher‘s Crossing, einem kleinen Städtchen in Kansas, begegnet er Miller, einem Jäger und Abenteurer. Er erzählt Andrews von einer riesigen Büffelherde in einem entlegenen Tal der Colorado Rockies, die nur eingefangen werden müsse. Andrews schließt sich der Expedition an und sie erreichen einen Ort von besonderer Schönheit. Von Gier blindgetrieben entfesseln die Männer eine Tragödie.

John Williams Roman Butcher’s Crossing, der im Jahr 1870 spielt, bewegt sich fernab von jeglicher Wildwestromantik. Eigentlich geschieht in dem Buch nicht viel. Ein paar Männer fahren mit einem Ochsenkarren in ein Jagdgebiet und gehen auf Büffeljagd. Der Leser begleitet sie auf diesem Weg und in ihrem Kampf mit der Natur und vor allem mit sich selbst und lernt die Figuren sowie ihre inneren Abgründe so nach und nach kennen. Für mich sticht hier vor allem die detaillierte Beschreibung von Miller mit seiner Gier und Besessenheit heraus, die ihn während der Jagd in einen Blutrausch zu versetzten scheint. Anders erscheint Andrews, der völlig unerfahren an der Jagd teilnimmt. Nachdem er sein altes Leben hinter sich gelassen hat und sich selbst in der Natur sucht, stößt er schon schnell an seine Grenzen. Es ist faszinierend, ihn dabei zu beobachten, wie er neue Erfahrungen sammelt, diese verarbeitet und sich immer mehr verändert und entwickelt. In der Natur erhofft er sich, sein wahres Ich zu finden. Miller und Andrews sind sehr gegensätzlich aufgebaut, auf der einen Seite Miller, der besessen von der Jagd ist und einen rastlosen, fiebrigen Eindruck macht. Auf der anderen Seite der junge Andrews, der aus einem wohlhabenden Hause stammt mit seinem Idealismus und seiner Begeisterung für die Natur. Andrews kämpft mit sich selbst, gegen die Gier und die entstehende Abstumpfung während der Jagd. Als einziger Teilnehmer scheint er noch die Schönheit und die Einzigartigkeit der Natur zu erkennen. Aber auch die anderen beiden Teilnehmer der Expedition, der einhändige Charley Hoge und der deutsche Fred Schneider, der für das Häuten der erlegten Tiere zuständig ist, sind spannende Charaktere.

Ein Genuss ist erneut der Schreibstil von John Williams. Ruhig und ohne eigene Wertung beschreibt er die Grausamkeit und das allmähliche Abstumpfen der Männer. Gerade diese ruhige Art des Erzählens lässt die Handlung für mich umso eindringlicher erscheinen. Ebenso atmosphärisch gelungen sind die Darstellungen der Natur sowie die genauen Beschreibungen der Protagonisten, ihrer Gedanken und Gefühle.

Großartiges Leseerlebnis

Nachdem bereits Stoner von John Williams für mich zu den Lesehighlights des letzten Jahres zählte, ist auch Butcher’s Crossing ein ganz besonderes Buch. Die detaillierten Charakterbeschreibungen und ihre Entwicklungen sowie die bildhaften Landschaftsbeschreibungen machen den Roman zu einem tiefsinnigen und auch literarisch anspruchsvollen Erlebnis. Ein Western ohne Klischees, der existenzielle Fragen zum menschlichen Sein und seinem Wirken in der Natur aufwirft. Für mich jetzt schon ein Höhepunkt meines diesjährigen Lesejahres!

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