Kobo Abe – Die Frau in den Dünen

Rezension Kobo Abe Die Frau in den Dünen Roman

Gefangen in einem Sandloch: Der kafkaeske Roman Die Frau in den Dünen von Kobo Abe gilt völlig zu Recht als ein Klassiker der modernen japanischen Literatur.

Jumpei Niki reist in die Nähe eines abgelegenen Dorfes, um dort seiner Leidenschaft, der Suche nach unentdeckten Insekten, nachzugehen. Für die Nacht bittet er die Dorfbewohner um ein Quartier. Sie seilen ihn in ein Sandloch zu einer Hütte ab, die nur von einer jungen Frau bewohnt wird. Während der Nacht bleibt sie wach, um das Haus vom Sand freizuschaufeln. Als Jumpei am nächsten Morgen aufbrechen will, ist die Strickleiter verschwunden und der Sand dringt unablässig in das Loch und die Hütte ein.

Kobo Abes Roman Die Frau in den Dünen ist sehr eigenes Buch, in dem der Autor mit sehr starken Bildern arbeitet. Jumpei Niki, dessen Name nur sehr selten genannt wird und größtenteils einfach als „Mann“ bezeichnet wird, muss erleben, wie er seiner Freiheit beraubt wird und für die Dorfgemeinschaft arbeiten soll. Das Haus der Frau droht im Sand zu versinken, der ohne Unterlass in die Räume eindringt und an allem haften bleibt. Nun soll Jumpei ihr jede Nacht dabei helfen, den Sand zu beseitigen. Dafür erhalten die beiden von den Dorfbewohnern Nahrung und Wasser. Doch es ist ein aussichtloser Kampf, den sie gegen den Sand führen.

Eines Tages im August verschwand ein Mann. Er war mit der Bahn zu einem Ausflug an die Küste aufgebrochen, kaum eine halbe Tagesreise entfernt, und seitdem fehlte jede Spur von ihm. Die Vermisstenanzeige bei der Polizei und die Berichte in den Zeitungen waren ohne Ergebnis geblieben.

Der Mann versucht sich zu wehren, doch kann er dem Haus, das von Sand bedroht wird, nicht entkommen. Selbst zu zweit ist es kaum möglich, ein Absacken zu verhindern. Zentrales Motiv und immer wiederkehrendes Element ist der Sand. Bereits zu Beginn, als sich Jumpei noch in den Dünen befindet, denkt er aus wissenschaftlicher Sicht über den Sand nach. Nach seiner Freiheitsberaubung wird der Sand zu seinem Hauptfeind, von dem es kein Entkommen gibt. Mit großer Genauigkeit beschreibt Abe immer wieder, wie sich der Sand überall festsetzt und körperliches Unwohlsein hervorruft. Für Jumpei gibt es keine Möglichkeit, dem Sand auszuweichen und in dem Loch wird er mit sich selbst und seinem Leben konfrontiert. Hier ist nur er selbst, die Frau und natürlich der Sand. Und so werden Fragen nach der Existenz, dem Schicksal und der Bedeutung des eigenen Lebens gestellt.

Wenn das Leben nur aus wichtigen Dingen bestände, wäre es ein gefährliches Glashaus, das man nicht berühren durfte. Kurz, dies hier war der Alltag. Und da jeder die Sinnlosigkeit erkannte, richtete man den Zeiger seines Kompasses auf das eigene Zuhause.

Und so verändert sich Jumpei mit der Zeit, erfährt immer mehr über sich selbst. Dies zeigt sich unter anderem in seinem Verhältnis zu der jungen Frau. Er begegnet ihr vor allem mit Gleichgültigkeit oder ist ihr gegenüber grausam – obwohl sie sich ihm immer wieder anbietet und ihn umsorgt. Die Sexualität ist von seiner Seite sehr triebhaft gesteuert, was im starken Kontrast zu seinem sonstigen Verhalten steht, das größtenteils sehr überlegt und von viel Selbstbeobachtung geprägt ist. Er setzt sich mit wissenschaftlichen Spekulationen auseinander und gibt sich betont rational. Letztlich ist es der allgegenwärtige Sand, der einen Wandel in ihm auslöst.

Angesichts des Themas ist es erstaunlich, mit welcher Leichtigkeit Kobo Abe sich diesem in Die Frau in den Dünen nähert. Dies ist wohl vor allem der großartigen stilistischen Ausarbeitung des Romans zu verdanken. In knappen Sätzen, in denen kein Wort zu viel verwendet wird und gleichzeitig dichte Bilder entstehen, entwickelt sich eine vielschichtige Parabel, die zu Recht zu den großen Werken der japanischen Literatur gezählt wird.

3 comments

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  1. Kate

    Hallöchen,
    irgendwie hast du mich ja schon neugierig gemacht mit deiner Rezension. Wobei ich mir wirklich unsicher bin, ob das Buch was für mich wäre. Vielleicht muss ich auch einfach in der richtigen Stimmung dafür sein. Ich behalte es auf jeden Fall im Hinterkopf.
    Vielen Dank für deine Rezension!
    Liebste Grüße, Kate

    Gefällt 1 Person

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