Die Geschichte eines außergewöhnlichen Lebens
Tooly Zylberberg ist Anfang dreißig und Besitzerin einer Buchhandlung in Wales. Ihre Zeit verbringt Tooly fast ausschließlich mit lesen und Wanderungen durch die Umgebung ihres Heimatdorfes. Durch die E-Mail eines Freundes wird die Erinnerung an ihre Kindheit und Jugend wieder hervorgerufen, doch diese Kindheit ist Tooly selbst nicht besonders klar. Sie lebte in Bangkok, Italien und New York. Und was wurde eigentlich aus den verschiedenen Menschen, Humphrey, Sarah und Venn, die Tooly großgezogen und ihr Leben zu großen Teilen bestimmt haben? Die Geschichte reicht von den 1980er Jahren und dem Ende des kalten Krieges bis zur Gegenwart…
Tom Rachmans zweiter Roman Aufstieg und Fall großer Mächte erzählt die Lebensgeschichte von Tooly mit vielen Zeitsprüngen. Zum einen wird aus Toolys früher Kindheit in Bangkok berichtet, wo sie mit ihrem Vater lebte. Daneben steht ihr unstrukturiertes Leben in New York und ihr beschauliches Leben in Wales, das durch die Mail des alten Freundes jäh gestört wird. Die vielen Zeitsprüngen haben auf der einen Seite für Spannung gesorgt, aber obwohl Tooly immer älter wurde, konnte ich keine richtige Entwicklung feststellen. Leider sind die Sprünge aus meiner Sicht nicht immer passend gesetzt, so dass manche Situationen zu abrupt beendet werden und die Geschichte in eine neue Zeitebene springt. Diese fehlende Entwicklung ist mir vor allem bei dem Sprung von Bangkok nach New York aufgefallen. Ich hatte nie wirklich den Eindruck, das Tooly ihre Kindlichkeit ablegen kann. Die ganze Zeit erschien sie mir sehr unerfahren und weltfremd, was in manchen Passagen des Buches nervig war. Die Menschen, die Tooly erzogen haben, sind alles extreme und schräge Charaktere. Besonders gefallen hat mir Humphrey, der Tooly in die Philosophie einführt und scheinbar ihr einziger Beschützer und eine Vaterfigur ist. Die anderen beiden wichtigen Personen sind Sarah und Vrenn, die auch großen Einfluss auf ihr Leben haben, aber für mich längst nicht so spannend waren wie Humphrey.
Der Schreibstil ist eher ausschweifend und bietet auch spannende Dialoge. Tom Rachmans wirklich guter Stil kommt vor allem bei der Beschreibung von Toolys Buchhandlung in Wales zur Geltung, der gerne mehr Zeit hätte gewidmet werden können. Die Darstellung sorgt für ein sehr plastisches Bild des Ladens. Leider wurde aus der gewählten Zeitgeschichte zu wenig gemacht. Immer wieder werden die Auswirkungen des kalten Krieges und der digitalen Revolution angesprochen, diese haben aber keinen Einfluss auf die Handlung. Das Leben von Tooly ist wirklich außergewöhnlich und schneidet viele spannende Themen an, die aber häufig realitätsfern geschildert werden. Zum Ende des Buches war leider nicht wirklich klar, was der Autor darstellen wollte, zu viele Themen wurden nur kurz angeschnitten und nicht genügend ausgeführt.
Gelungener Schreibstil, aber kein gelungener Roman
Nach Tom Rachmans Debütoman Die Unperfekten war ich sehr gespannt auf sein zweites Werk. Leider konnte Aufstieg und Fall großer Mächte meine zugegebenermaßen hohen Erwartungen nicht erfüllen. Der Schreibstil ist immer noch auf hohem Niveau, nur konnte ich mit den Charakteren nicht wirklich warm werden. Obwohl sie spannend sind, erschienen sie mir zu extrem und zu realitätsfremd. Dazu wurden zwar interessante Themen immer wieder angesprochen, aber eben nicht detailliert dargestellt, so dass ich nach beenden der Lektüre etwas ratlos war, was mir der Autor eigentlich sagen wollte.