Sally Rooney rettet ihren Debütroman Gespräche mit Freunden nach zwei Dritteln aus der Mittelmäßigkeit.
Frances und ihre Ex-Freundin Bobbi lernen das Ehepaar Melissa und Nick kennen, die als Fotojournalistin und Schauspieler arbeiten. Sie treffen sich bei Kulturveranstaltungen, zum Essen und führen Gespräche über Politik, Freundschaft, Kunst und Sex. Frances fühlt sich immer stärker zum verheirateten Nick hingezogen, während Bobbi von Melissa fasziniert ist.
Die Figuren in Sally Rooneys Debütroman Gespräche mit Freunden sind eher jung. Während die Ich-Erzählerin Frances und Bobbi erst 21 Jahre alt sind, ist das Ehepaar Nick und Melissa Mitte dreißig. Die einen studieren noch, die anderen arbeiten als Fotografin bzw. als Schauspieler. Was Frances von den anderen dreien unterscheidet, ist, dass sie nicht Teil einer besser situierten Mittelschicht ist, aus ärmeren Verhältnissen stammt und auf Jobs angewiesen ist, um ihr Studium zu finanzieren. Die Handlung dreht sich vor allem um diese vier Figuren, zwischen denen ein Geflecht aus Beziehungen entsteht, die zwischen Zuneigung und Abneigungen schwanken.
Er legte auf. Ich schloss die Augen, und es war, als verschwände das gesamte Mobiliar aus meinem Zimmer, wie bei einem rückwärts gespielten Tetris, alles kletterte auf dem Display nach oben und löste sich dann in Luft auf, und das Nächste, was verschwinden würde, war ich.
Der Roman braucht allerdings, bis er seine Besonderheit entfalten kann. Zunächst stehen das Kennenlernen und erste Gespräche an. Heimliche Affären, Freundschaft, Enttäuschungen – nichts wirkliches Außergewöhnliches. Ein besonderer Punkt ist die Beziehung zwischen Bobbi und Frances, die in ihrer Schulzeit offen ein Paar waren und nach der Trennung immer noch eine tiefe Freundschaft verbindet. Ob die Liebesbeziehung wirklich von beiden Seiten beendet ist, lässt die Autorin immer wieder in Schwebe, zumal sie doch mehr Geheimnisse voreinander haben, als zunächst vermutet. Beide haben große Probleme, offen über ihre Gefühle zu sprechen und durchdringen das Konzept der Beziehung und Liebe eher intellektuell. Für Frances ändert sich ihr Leben durch das Kennenlernen von Nick. Zu Beginn scheint die Affäre problemlos zu funktionieren, allerdings sind die Vorstellungen über den weiteren Verlauf unterschiedlich. Durch die beidseitige Unfähigkeit ehrlich und offen miteinander zu sprechen, wird die Problematik weiter verschärft. Während alle Figuren sich als beziehungserfahren ausgeben, fehlen ihnen doch die Worte, wenn es wirklich draufankommt. Bis zum Ende bleiben hier Fragen nach den gegenseitig zugefügten Verletzungen offen, die auch immer wieder zu Konflikten und neuen Kränkungen führen.
Ich wusste, dass mich niemand beobachtete, dass es niemanden interessierte, was ich dachte oder tat, und die Macht dieser verkehrten neuen Freiheit schien mich fast zum Schweigen zu bringen. Ich konnte schreien oder mich ausziehen, wenn ich es wollte, ich konnte auf dem Heimweg vor einen Bus laufen, wer würde es schon mitbekommen? Bobbi würde mir nicht nachgehen. Nick würde in der Öffentlichkeit nicht mal mit mir reden.
Es fällt schwer, den genauen Punkt zu greifen, an dem mich der Roman nicht mehr losgelassen hat. Vermutlich mit Frances Rückkehr aus einem Urlaub. Damit gehen zusätzlich Veränderungen in ihrem Leben einher, die ihre Gesundheit, ihre schriftstellerische Karriere und ihr Verhältnis zu den anderen Figuren betreffen. Vieles davon ist mit Auseinandersetzungen verbunden, die Frances Leben beeinflussen. So ist sie gezwungen, ihr bisheriges Verhalten zu reflektieren, was sie zu einer Neubetrachtung ihrer Entscheidungen bewegt. Hier erlangt der Roman an Tiefe und Komplexität. Der Titel ist durchaus ernst zu nehmen, denn ein großer Teil des Buches sind wirklich Gespräche, die viel um Liebe, Beziehung, Sex und Begehren kreisen. Dennoch sorgen sie nicht für Klärung, sondern scheinen sie eher wie ein Spiel, in dem verschleiert und wohl überlegt gehandelt wird.
Geschrieben ist der Roman ausschließlich aus der Sicht von Frances, wobei die Autorin einen reduzierten Stil verwendet, der sich oft eher im Vagen bewegt. So heißt es etwa von Nick, dass er ein schönes Gesicht habe, warum genau, erfährt der Leser jedoch nicht. Gleiches gilt für die Gedichte, die von Frances und Bobbi vorgelesen werden, deren genauen Worte der Leser nicht erfährt. Es dreht sich so vor allem um das Innenleben von Frances, ihre Gedanken und ihre Gefühle – die Äußerlichkeiten sind dem untergeordnet. Dennoch werden bestimmte Details hervorgehoben, die von der Autorin präzise beschrieben werden.
Mit einer wirklichen Bewertung von Gespräche mit Freunden tue ich mich sehr schwer. Gerade das letzte Drittel mit seinen Wendungen, die auch bei Frances eine Veränderung bewirken, ist auch dank des klaren Stils der Autorin mehr als „nur“ ein weiterer Roman über Beziehungen und Sex. Dem Weg dahin geht jedoch das Außergewöhnliche ab und manches macht einen eher gewollt intellektuellen Eindruck, ohne wirklich Tiefe zu erlangen.
Weitere Rezensionen findet ihr bei der Buchbloggerin und LiteraturReich.
Habe mir das Buch in einer Buchhandlung geschnappt und es quer gelesen. Fazit: Für jüngere Menschen sich interessant…
Gruß von Sonja
P.S.: Die Autorin kann wunderbar formulieren!
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[…] Menschen ist, ähnlich wie Rooneys Erstling Gespräche mit Freunden, ein Roman über Verletzlichkeit und Stolz, über Macht und Dominanz, sowie über die Angst vor […]
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