Geliehene Zeit, geliehene Welt: Postapokalyptische Romane

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Postapokalypsen verbinden die meisten Leute vermutlich zunächst mit Zombies, Gewalt und eventuell noch etwas SciFi à la I, Robot. Dass dieses Genre nicht immer sein vorausgehendes Klischee erfüllen muss, zeigen allerdings auch sehr viele Ausnahmen.

Postapokalypsen beschäftigen sich mit der Zeit nach dem Untergang der Zivilisation, sei dies durch Naturkatastrophen, Krankheiten, Krieg oder den Angriff Außerirdischer. Oftmals überlappt sich das Genre mit denen der Dystopie und der Science Fiction.

Der allererste Roman, der aus heutiger Sicht als postapokalyptisch betrachtet wird, ist Mary Shelleys The Last Man (dt: Verney, der letzte Mensch) aus dem Jahr 1826. Auch H.G. Wells‘ Krieg der Welten (1898) wird von Literaturwissenschaftlern als postapokalyptisch angesehen. Nach dem Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki sowie dem kalten Krieg widmeten sich mehr und mehr Autoren den damaligen Ängsten der Bevölkerung. Besondere Aufmerksamkeit erfuhren die Werke im englischsprachigen Raum, wichtige frühere Vertreter sind zum Beispiel I am Legend von Richard Matheson (1954), The World Jones Made (1956), The Man who Japed (1956) und Dr. Bloodmoney (1965) von Philip K. Dick sowie A Canticle for Leibowitz von Walter Miller (1960). In den 70er und 80er Jahren wandelte sich die Thematik von einem nuklearen Holocaust zu einem Verlust der Sprache, wie die Romane Memoirs of a Survivor (1974) von Doris Lessing, Paul Austers In the Country of Last Things (1987) und David Marksons Wittgensteins Mätresse (1988) zeigen.

Dieser Trend, sich wegzubewegen von der großen Action und stattdessen den Fokus auf philosophische und ethische Fragen zu richten, sich mit dem Menschsein, Moral, Geschichte und Sprache zu beschäftigen, setzt sich bis heute durch. In vielen aktuellen postapokalyptischen Romanen wird gar nicht erst erklärt, wie es zum Untergang der Welt kommen konnte, da es völlig zweitrangig ist. Was jetzt zählt ist der Mensch, das Individuum, die Gesellschaft.

Wir möchten euch einige postapokalyptische Bücher vorstellen und euch zeigen, dass sich mittlerweile ein vielfältiges Genre entwickelt hat, das seinen Lesern viel mehr zu bieten hat als nur das Niedermetzeln von Untoten.

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Cormac McCathy – Die Straße (2006)

Ein Mann und ein Kind schleppen sich durch ein verbranntes Amerika. Nichts bewegt sich in der zerstörten Landschaft, nur die Asche im Wind. Es ist eiskalt, der Schnee schimmert grau. Sie haben kaum etwas bei sich: ihre Kleider am Leib, einen Einkaufswagen mit der nötigsten Habe und einen Revolver mit zwei Schuss Munition. Ihr Ziel ist die Küste, obwohl sie nicht wissen, was sie dort erwartet. Die Geschichte der beiden ist eine düstere Parabel auf das Leben, und sie erzählt von der herzzerreißenden Liebe eines Vaters zu seinem Sohn.

Thomas Glavinic – Die Arbeit der Nacht (2006)

Jonas ist allein. Zuerst ist es nur eine kleine Irritation, als die Zeitung nicht vor der Tür liegt und Fernseher und Radio nur Rauschen von sich geben. Dann jedoch wird Jonas klar, dass seine Stadt, Wien, menschenleer ist. Ist er der einzige Überlebende einer Katastrophe? Sind die Menschen geflüchtet? Wenn ja, wovor? Jonas beginnt zu suchen. Er durchstreift die Stadt, die Läden, die Wohnungen und bricht schließlich mit einem Truck auf, um nach Spuren der Menschen suchen. Mit wachsender Spannung erzählt Thomas Glavinic davon, was Menschsein heißt, wenn es keine Menschen mehr gibt.

Dmitry Glukhovsky – Metro 2033 (2010)

Es ist das Jahr 2033. Nach einem verheerenden Krieg liegen weite Teile der Welt in Schutt und Asche. Moskau ist eine Geisterstadt, bevölkert von Mutanten und Ungeheuern. Die wenigen verbliebenen Menschen haben sich in das weit verzweigte U-Bahn-Netz der Hauptstadt zurückgezogen und dort die skurrilsten Gesellschaftsformen entwickelt. Sie leben unter ständiger Bedrohung der monströsen Wesen, die versuchen, von oben in die Metro einzudringen … Dies ist die Geschichte des jungen Artjom, der sich auf eine abenteuerliche Reise durch die U-Bahn-Tunnel macht, auf der Suche nach einem geheimnisvollen Objekt, das die Menschheit vor der endgültigen Vernichtung bewahren soll.

Emily St. John Mandel – Das Licht der letzten Tage (2014)

Niemand konnte ahnen, wie zerbrechlich unsere Welt ist. Ein Wimpernschlag, und sie ging unter. Doch selbst jetzt, während das Licht der letzten Tage langsam schwindet, geben die Überlebenden nicht auf. Sie haben nicht vergessen, wie wunderschön die Welt war. Sie vermissen all das, was einst so wundervoll und selbstverständlich war, und sie weigern sich zu akzeptieren, dass alles für immer verloren sein soll. Auf ihrem Weg werden sie von Hoffnung geleitet – und Zuversicht. Denn selbst das schwächste Licht erhellt die Dunkelheit. Immer.

Heinz Helle – Eigentlich müssten wir tanzen (2015)

Eine Gruppe junger Männer verbringt ein Wochenende auf einer Berghütte. Als sie ins Tal zurückkehren, sind die Ortschaften verwüstet. Die Menschen sind tot oder geflohen, die Häuser und Geschäfte geplündert, die Autos ausgebrannt. Zu Fuß versuchen sie, sich in ihre Heimatstadt durchzuschlagen. Sie funktionieren, so gut sie können. Tagsüber streifen sie durch das zerstörte Land, nachts durch ihre Erinnerung. Auf der Suche nach einem Grund, am Leben zu bleiben.

Thomas von Steinaecker – Die Verteidigung des Paradieses (2016)

Er möchte ein guter Mensch sein. Aber Heinz lebt in einer Welt, die Menschlichkeit nicht mehr zulässt. Deutschland ist verseucht und verwüstet, Mutanten streifen umher, am Himmel kreisen außer Kontrolle geratene Drohnen. Zusammen mit seinem besten Freund, einem elektrischen Wüstenfuchs, dem Fennek, wächst Heinz in einer kleinen Gruppe Überlebender in den Bergen auf. Er nimmt sich vor, die verlorene Zivilisation zu bewahren, sammelt vergessene Wörter und schreibt die Geschichte der letzten Menschen. Doch was nützen Heinz Wissen und Kunst jetzt noch? Da gibt es plötzlich das Gerücht, weit im Westen existiere ein Flüchtlingslager. Und die Gruppe bricht auf zu einem mörderischen Marsch ins vermeintliche Paradies…

Jeff Vandermeer – Borne (2017)

In einer zerstörten Stadt der nahen Zukunft überlebt Rachel, indem sie in den Ruinen nach Überresten biotechnologischen Abfalls sucht. Ihre Beute bringt sie zu ihrem Partner Wick, der aus den gesammelten Überresten psychoaktive Drogen herstellt und verkauft. Die Stadt ist gefährlich, übersät mit den ausrangierten Experimenten der Firma – einem zerfallenen Biotech-Unternehmen – und geplagt von den unvorhersehbaren Raubzügen eines riesigen Bären namens Mord.
Im Fell von Mord findet Rachel bei einer ihrer Expeditionen Borne, ein undefinierbares Wesen, das auf sie eine merkwürdige Anziehung ausübt. Entgegen ihren Instinkten – jede Schwäche kann dich in dieser erbarmungslosen Stadt töten – nimmt sie Borne mit in ihr Versteck. Doch Borne ist viel mehr, als Rachel sich vorstellen kann. Er lernt sich zu bewegen, zu reden, seine Gestalt zu verändern und beginnt zunehmend, die delikate Balance der Macht in der Stadt zu bedrohen. Während sich neue Feinde der Firma formieren, führt Bornes Metamorphose Rachel vor Augen, wie sehr ihre prekäre Existenz auf Lügen und Geheimnissen beruht, deren Aufdeckung ihre Welt für immer verändern wird.

10 comments

Add Yours
  1. Karin

    Schöne Zusammenstellung. „Das Licht der letzten Tage“ von Emily St. John ist eines meiner Lieblingsbücher. Speziell, aber mit einzigartiger Atmosphäre.
    Einige der Bücher, die ihr genannt habt, haben mich aber auch sehr neugierig gemacht! Ich finde die Art postapokalyptische Geschichten zu erzählen, ohne nur auf Zombies zu setzen durchaus attraktiver. Werde also mal einen näheren Blick auf eure Auswahl werfen.:)

    Liebe Grüße
    Karin

    Gefällt 1 Person

    • letusreadsomebooks

      Das freut mich sehr zu hören!
      Für mich ist es auch definitiv spannender, ohne Untote und co. ;)
      Die Straße kann ich dir ganz ganz doll empfehlen, wenn du es auch gerne düster und deprimierend magst. Eines der besten Bücher, die ich in den letzten Jahren gelesen habe! Heinz Helle ist sprachlich unglaublich grandios, mit einem ganz eigenen Rhythmus und Sog.
      Schön, wenn wir dich ein wenig neugierig machen konnten! :)
      Liebe Grüße
      Nadine

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  2. Kate

    Hallöchen,
    die Infos, die du hier zusammengetragen hast, finde ich wirklich interessant! Das ist mal ein ganz anderes Bild von postapokalypstischen Romanen.

    „Die Straße“ habe ich schon eine ganze Weile im Blick und vor allem auf der Wunschliste. Ich habe mir das Buch bisher aber noch nicht geholt. Sollte ich vielleicht mal ändern.
    Über „Das Licht der letzten Tage“ habe ich schon so viele unterschiedliche Meinungen gehört. Auch sehr viele negative. Du fandest es also gut?
    „Borne“ habe ich mal angefangen, aber der Stil war nicht so meins. Ich habe leider einfach nicht reingefunden.
    Toller Beitrag!
    Liebste Grüße, Kate

    Gefällt 1 Person

    • letusreadsomebooks

      Hi,
      vielen Dank! :)
      Also bei Borne kann ich dich sehr gut verstehen, das ist schon ein echt spezielles Buch. Die Straße ist eines der besten Bücher, die ich in den letzten Jahren gelesen habe und für mich DER postapokalyptische Roman – also wenn es dich interessiert, UNBEDINGT lesen! ;)
      Das Licht der letzten Tage ist…anders. Es liegt ein großer Fokus auf Kultur und Gesellschaft, es gibt eine fahrende Theatergruppe, die durchs Land zieht, um die Kultur der alten Welt (Shakespeare und co.) zu bewahren, das hat mir wahnsinnig gut gefallen. Vielleicht nicht in meiner Top 3 der Postapokalypsen aber ich fand es dennoch sehr lesenswert.
      Lieben Gruß,
      Nadine

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  3. elizzy91

    Hallo! Eine tolle Auswahl, du hast auf jeden Fall recht, das Genre hat sich enorm entwickelt und bietet so viel mehr als man vielleicht erwarten mag. Ich habe Metro gelesen fand es aber sehr verwirrend durch die vielen russischen Namen und Orte. Dafür hat mir „Das Licht der letzten Tage“ umso besser gefallen.!

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  4. Aurora

    Hey,
    Ich mag Dystopien! Eine schöne Auswahl. :) Gelesen habe ich noch keine von ihnen, aber Metro und die Straße stehen schon auf meiner Wunschliste.
    LG, Aurora :)

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  5. andrea

    „Die Arbeit der Nacht“ wandert immer höher auf meinem Stapel. Ich finde Thomas Glavinic überhaupt einen sehr genialen Autor. „Metro“ steht auch noch ungelesen im Regal, ich freu mich aber auch schon drauf. Von Mary Shelley habe ich vor kurzem erst Frankenstein gelesen, bin aber auf weitere ihrer Bücher gespannt. Schöne Zusammenstellung!

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