Voller Gewalt und auf afrikanischen Mythen basierend: Schwarzer Leopard, roter Wolf von Marlon James ist ein außergewöhnlicher Fantasy-Roman.
Sucher ist ein Jäger mit besonderem Sinn: Er kann über weite Distanzen riechen und eine Witterung verfolgen. Als Teil einer Gruppe von Söldnern ist es seine Aufgabe, einen Jungen zu finden, der seit Jahren ohne jede Spur verschwunden ist. Während Sucher auf der Jagd um sein Leben kämpfen muss, wird die Frage nach der wahren Identität des Jungen immer drängender.
Marlon James hat mit Schwarzer Leopard, roter Wolf einen Fantasy-Roman geschrieben, der in vielerlei Hinsicht anders ist als die üblichen Vertreter des Genres. Das Werk spielt in einer afrikanischen Umgebung, einige Protagonisten, unter anderem Sucher selbst, sind homosexuell und dazu kommen viele fremd klingende Begriffe. So dauert es eine ganz eine Weile, bei mir knapp 200 Seiten auf denen ich das Buch fast abgebrochen hätte, bis man sich in dieser fremden Welt orientieren und halbwegs zurechtfinden kann. Hier findet sich kein ruhiges World-Building und Einführen von Charakteren, Orten und Verhältnissen der Welt. Trotzdem baut der Autor seine Handlung auch auf klassischen Fantasy-Elementen wie einer Heldengeschichte, einer Quest, Magie und Parallelwelten auf, die sehr vertraut sind. Die Welt ist aber deutlich chaotischer als üblich. Dennoch nutzt James komplexe Beziehungsgeflechte zwischen den Figuren und den verschiedenen politischen Fraktionen, die zu einigen Überraschungen und Enthüllungen führen. Nur wenig ist hier so, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag.
Die Handlung erzeugt nach einer kurzen Gewöhnungsphase einen starken Sog. Die eigentlich einfache Aufgabe, die Suche nach einem Jungen, führt immer wieder zu Wendungen. Das liegt auch an den Begleitern von Sucher, die alle sehr unterschiedlich sind. Die Differenzierungen zwischen Gut und Böse, Freund oder Feind werden zudem schnell aufgehoben.
„Weil ihr früher oder später alle zum Freudenhändler kommen, Sucher. Ihr könnt nicht anders. Ehemänner, Häuptlinge, Edelmänner, Steuereintreiber, selbst du. Wie eine hungrige Hundemeute. Früher oder später werdet ihr alle wieder zu dem, der ihr seid. So wie du, der mich auf den Boden drückt und den kleinen Dirnenjungen grob fickt, weil du schon ein Hund warst, bevor du dieses Auge hattest. Weißt du, was ich mir wünsche, Männerficker? Ich wünschte, ich hätte genug Gift, um die ganze Welt zu töten.“
Was wohl ebenfalls schnell auffällt, ist, wie explizit James schreibt. Das betrifft nicht nur den Stil – alle paar Seiten kommt von Sucher ein obligatorisches „Fick die Götter!“ – sondern viel mehr die Darstellungen von Gewalt und Sex, die sehr brutal bzw. direkt sind. James zieht diese Art des Schreibens konsequent durch, was auf Dauer etwas ermüdend wird, da so kaum Platz für subtilere Passagen bleibt.
Sucher ist eher ein Anti-Held, der selbst nicht vor Gewalt zurückschreckt und dessen Motive nicht klar sind. Von seinem Stamm wurde er verachtet, da er nicht beschnitten ist und sowohl weibliche als auch männliche Merkmale trägt. Oft gibt er sich zynisch und scheint auf der Suche nach einem Platz in der Welt zu sein. Nur der titelgebende schwarze Leopard, ein Gestaltwandler, und eine Gruppe von Kindern, die aufgrund ihrer Fähigkeiten von ihren Gemeinschaften ausgeschlossen wurden, bedeuten ihm etwas. Ansonsten ist die Zuneigung zwischen den Figuren rar gesät. Viel mehr blickt der Leser häufig in menschliche Seelenabgründe.
Vielleicht war dies der Teil, in dem Männer mit klügeren Köpfen als dem meinen und größerem Herzen als dem meinen betrachtet hätten, wie das Krokodil den Mond fraß und wie die Welt sich um die Götter des Himmels dreht, vor allem den abwesenden Sonnengott, ungeachtet dessen, was Männer und Frauen in ihren Landen tun. Und vielleicht erwuchs daraus einige Weisheit oder etwas, was wie Weisheit klang. Doch ich wollte einfach nur gehen, nicht irgendwohin, nicht von irgendetwas fort, einfach nur davon.
James verlässt sich ganz darauf, das Geschehen aus der Ich-Perspektive von Sucher zu beschreiben. Neben der bereits erwähnten expliziten Sprache benutzt James auch einen bildreichen Stil, mit dem er die Orte und Handlungen, die an afrikanische Mythen angelehnt sind, gekonnt in Szene setzt.
Marlon James hat mit Schwarzer Leopard, roter Wolf ein Buch geschrieben, das sich stark von den üblichen Genre-Vertretern der Fantasy unterscheidet. Aufbauend auf afrikanischen Sagen erzählt er die Suche nach einem Kind durch seinen zynischen Protagonisten. Dabei verzichtet er auf eine langsame Exposition, die Welt mit ihrer Historie muss sich der Leser aus den verschiedenen Versatzstücken selbst erschließen. So wird der Roman zu einem besonderen Buch, das noch lange in Erinnerung bleibt und beschäftigt.
Einen weiteren Leseeindruck findet ihr bei queerBuch.