Peter Høeg – Durch deine Augen

Peter Hoeg Durch deine Augen Rezension

Ein Roman über Genregrenzen hinaus: Peter Høegs Durch deine Augen übt eine sehr eigene Faszination aus und spielt mit der Phantasie seiner Leser.

Was wäre, wenn Menschen in die Träume von anderen Personen eindringen und so die Vergangenheit und auch die Zukunft verändern könnten? Was inhaltlich nach einem phantastischen Roman klingt, ist eines der Hauptthemen von Peter Høegs neuen Roman Durch deine Augen. Im Kindergarten waren Lisa, Peter und Simon der „Club der schlaflosen Kinder“. Simon versucht, sich als Erwachsener das Leben zu nehmen, weshalb Peter ihn in eine besondere Klinik bringt, wo das Bewusstsein eines Menschen in einem Hologramm sichtbar gemacht werden kann. Leiterin der Klinik ist ausgerechnet Lisa, die sich an ihre Kindheit nicht mehr erinnern kann.

„Wer hierherkommt, braucht nicht in erster Linie Verständnis. Er braucht Begegnung. Einem Menschen zu begegnen ist etwas anderes, als ihn zu verstehen.“

Die Handlung wechselt zwischen Kindheit und Erzählgegenwart – hier sind die Protagonisten etwa vierzig Jahre alt – hin und her. Erzähler ist Peter, der nicht nur den Vornamen mit dem Autor gemeinsam hat, sondern im Verlauf der Geschichte noch weitere Übereinstimmungen offenbart. In der von Lisa geleiteten Klinik wird er nach und nach zum Stammgast und beobachtet die Sitzungen mit traumatisierten Menschen, deren Bewusstsein grafisch abgebildet wird. Dabei wird er Zeuge von verschiedenen Schicksalen: Soldaten, die traumatisiert zurückgekehrt sind, Opfer von Sexualverbrechen und Überlebende der NS-Zeit. Die Emotionen der Patienten sind für Peter geradezu spürbar und reißen ihn mit.

Das ist vielleicht ein Teil der Wahrheit über die wirkliche Begegnung mit einem anderen Menschen. Dass man teilhat an der Essenz seines Lebens. In dieser Essenz sind Schönheit und Schmerz. Schrecken und Trost.

Die Erinnerungen der Besucher der Klinik sind harte Kost. Høeg verknüpft wie bereits in seinen anderen Roman Neurowissenschaften mit übernatürlichen Elementen, die stellenweise surreal wirken. Durch deine Augen ist immer dann am stärksten, wenn sich Peter als Erzähler zurücknimmt mit seinen (manchmal pseudophilosophischen) Einwürfen und das Geschehen auf den Leser wirken kann. Mitunter finden sich aber auch sehr ärgerliche Stellen, etwa wenn Peter zu dem Schluss kommt: „In jedem Mann steckt ein potentieller Sexualstraftäter.“ Und Lisa daraufhin antwortet: „In jeder Frau gibt es etwas, das sich davon angezogen fühlen könnte, ein potentielles Opfer zu werden.“

Was wird erzählt, was erzählt die Wirklichkeit, dort, wo die letzte Erzählung aufhört?

Sehr reizvoll ist das Spiel, das er mit dem Erzähler treibt. Der fiktive Peter sucht nach Worten, um seine Erlebnisse zu schildern und macht sich Gedanken über das Erzählen an sich. Die Verbindung von Autor und Figur liegt nahe und lässt so einiges im Ungewissen. Je nach Thema ist die Sprache abwechslungsreich gestaltet. Wissenschaftliche und sachliche Erläuterungen wechseln sich mit eher poetisch gestalteten Passagen ab, je nachdem was die Situation erfordert.

Durch deine Augen von Peter Høeg bleibt wohl dem Stil des Autors treu. Auch hier begegnet der Leser Figuren, die sich in psychisch extrem belastenden Situationen wiederfinden. Abgesehen von Passagen, die nur ungläubiges Kopfschütteln auslösen, hält der Autor größtenteils die Balance zwischen der Handlung und Wissenschaft. Der Roman ist dabei auf eine ganz eigene Art faszinierend.

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