Nach jahrelanger Arbeit ist mit Aus hartem Holz der neue Roman von Annie Proulx erschienen. Die Autorin erzählt von der Zerstörung der Natur und der menschlichen Gier.
Neufrankreich im Jahr 1693: Als die beiden Franzosen René Sel und Charles Duquet hier landen, sind sie beeindruckt von der wilden Natur, den riesigen Bäumen und undurchdringlichen Wäldern. Als Holzarbeiter suchen sie ihr Glück auf dem neuen Kontinent. Sel verpflichtet sich einem Lehnherren und erst nach Jahren harter Arbeit erhält er das versprochene Stück Land und heiratet eine Angehörige des Stammes der Mi’kmaq. Duquet gelangt auf andere Art an Land und gründet in Boston eine Holzhandlung, Duke & Sons, und unterhält Handelsbeziehungen bis nach Europa und China. Die Wege der nachfolgenden Generationen führen durch die amerikanische Geschichte und kreuzen sich immer wieder.
Aus hartem Holz ist der neue Roman von Annie Proulx, der Autorin von Schiffsmeldungen und Brokeback Mountain und Trägerin des Pulitzer Awards. Auf knapp 900 Seiten schildert die Autorin die Geschichte der Waldbestände Nordamerikas. Ist der Beginn noch recht beschaulich im südlichen Kanada, führt die Handlung bald in den Norden der USA und führt den Leser auch nach China sowie in die Wälder Neuseelands und Brasiliens. Erzählt werden hier zwei Familiengeschichten, die Ende des 17. Jahrhunderts beginnen und bis 2013 geschildert werden, also knapp 320 Jahre Geschichte. Was beide Familien gemein haben, ist, dass ihr Leben eng mit den Wäldern und Holz verbunden ist.
Was den Wald betraf, waren sie Antagonisten. Für Mari war der Wald etwas Lebendiges, so lebenswichtig wie die Wasserwege, voller Gaben der Heilkunst, der Nahrung und Zuflucht, Werkzeugmaterial, von jedermann entdeckt und erinnert. Man lebte mit ihm in Harmonie und Dankbarkeit. Für sie war das ununterbrochene Fällen aller Bäume zu dem törichten Zweck, ‚das Land urbar zu machen‘, nicht richtig. Aber das, dachte René, war Weibergerede. Der Wald war da, gewaltig und grenzenlos. Es war die Aufgabe der Menschen, sein Übermaß zu bändigen, das Land zu zähmen, auf dem er wuchs – nutzloses Land, bis es gerodet und mit Weizen und Kartoffeln bepflanz war.
Die Nachfahren von René und seiner eingeborenen Frau leben zwischen alten Bräuchen und dem Zwang, sich den Regeln der europäischen Einwanderer anpassen zu müssen, um zu überleben. Sie arbeiten wie ihr Vorfahre als Holzfäller, während um sie herum die Gemeinschaften zerbrechen und die sozialen Probleme immer größer werden. Mit der ungezügelten Abholzung der Wälder verschwindet auch der Lebensraum der Indianer, deren Bedürfnisse und Traditionen rücksichtslos übergangen werden. Während sie im Einklang mit der Natur leben, folgen die Europäer dem Grundsatz, sich die Natur untertan zu machen. Die Konflikte zwischen den Indianer und den Neuankömmlingen zeigt Proulx etwa anhand von historischen Briefen der katholischen Missionare, die sie ihrer fiktiven Handlung anpasst. Das Vorgehen der Europäer ist von Gier geleitet. Die Wälder erscheinen endlos und damit auch der Gewinn. Fast bis zum Schluss macht sich niemand sorgen um die Pflege der Waldbestände. Alles wird ohne langes überlegen abgeholzt. Abholzen als von Gott gegebenes Recht, das über den Verträgen mit den Indianern steht. Auch die Firma von Duquet und seinen Nachkommen arbeitet nach der Prämisse, dass der Profit das oberste Ziel ist, dem sich alle unterzuordnen haben. Die Schilderung dieser Entwicklungen gelingt der Autorin mit viel Detailwissen und Empathie für die Zerstörung der Natur.
Der Fokus der Autorin liegt eindeutig auf der Geschichte der Wälder, was aber auch dazu führt, dass die Figuren oberflächlich geraten. Das Leben der Familie Sel schildert die sozialen Probleme die mit dem Eindringen der Europäern entstehen und die Suche nach ihrer eigenen Identität als Mi’maq, was auch einige tiefgründige Passagen liefert. Gerade im Kontrast wirkt die Familie Duquet mit einer Ausnahme zu oberfläachlich. Der Schwerpunkt des Romans liegt nicht auf individuellen Entwicklungen. Stets angetrieben von Profitgier und den industriellen Entwicklungen wird die Zerstörung der scheinbar endlosen Wälder immer weiter vorangetrieben. Wer zu langsam ist, verliert. Hier wirken die Mitglieder doch zu austauschbar. Nach einigen Generationen wiederholt sich das Ganze zusehends. Am interessantesten ist das Leben von Lavinia Duke, die als erste Frau direkt die Firmenpolitik bestimmt und auch das Thema Aufforstung zur Sprache bringt. Dennoch schleichen sich gerade in der Mitte des Romans einige Längen ein, aufgrund von zu ähnlichen Erzählungen.
„[…] Solche Menschen hat die Welt noch nicht gesehen. Sie sind wie Tiger, die Blut geleckt haben. Und wie Tiger geben sie ihre Gier nach Land an ihre Kinder und Kindeskinder weiter, die ihrerseits glauben, es sei ihr Recht, sich an den Schätzen dieses reichen Landes nach Belieben zu bedienen.“
Sprachlich gelingen der Autorin dabei einige beeindruckende Landschaftsbeschreibungen und Naturbilder. Ansonsten ist der Stil einfach gehalten, was wiederum das Verständnis der komplexen Zusammenhänge fördert.
„Ich bin überzeugt, dass die einzig wahren Wälder ursprüngliche, naturbelassene Waldgegenden sind. Die ganze Atmosphäre – die Luft, die Wurzelgeflechte, die bescheidenen Farne und Moose, Insekten und Krankheiten, der Boden und das Wasser, das Wetter. All diese Dinge scheinen in einer Art großem, urtümlichen Orchester zusammenzuspielen. Ein Wald, der um seiner selbst willen lebt und nicht zum Nutzen der Menschen.“
Aus hartem Holz ist ein engagierter Roman, der sich mit der Geschichte der nordamerikanischen Urwälder befasst. Annie Proulx verhandelt die Themen Raubbau, Ausbeutung und mit dem Fortschreiten der Handlung auch die Frage der Nachhaltigkeit. Eindringlich beschreibt sie die Verdrängung der Natur und Indianer aus reiner Profitgier. Einzig die Figuren erreichen keine wirkliche Tiefe in diesem ansonsten lesenswerten Roman. Ein Buch über den Umgang mit der Natur durch den Menschen, das an die Einzigartigkeit der Natur erinnert.
Weitere Rezensionen findet ihr bei Zeichen&Zeiten und Leseschatz.
Moin und vielen Dank für den netten Link zum Leseschatz.
Herzliche Grüße, Hauke
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