Larry Brown – Fay

Fay

Der Südstaaten-Roman Fay ist das erste Buch des im Jahr 2004 verstorbenen Autors Larry Brown, das ins Deutsche übersetzt wurde. Ein Buch voller Alkohol und Gewalt, aber auch Hoffnung und Liebe.

Als sie siebzehn Jahre alt ist, beschließt Fay Jones das Hinterland von Mississippi zu verlassen. Statt weiter in der kleinen Hütte im Wald mit ihrer Familie zu leben, flieht sie vor dem gewalttätigen Vater. Mit kaum mehr als der Kleidung an ihrem Körper und zwei Dollar sucht sie einen Ausweg aus ihrem ärmlichen Leben. Ziel ihrer Träume ist der am Meer gelegene Ort Biloxi. Auf der Straße wird sie von dem Polizisten Sam aufgehalten, der sie bei sich aufnimmt. Sowohl er als auch seine Frau Amy beginnen elterliche Gefühle für sie zu entwickeln. Doch nach dem Unfalltod von Amy verändert sich das Verhältnis zwischen dem über vierzigjährigen Mann und der jungen Fay.

Fay ist sowohl Titel des Romans als auch Name der Hauptfigur. Fay ist ein gerade mal siebzehnjähriges Mädchen, das vor der Gewalt ihres Vaters flieht und an die Küste will. Ihr Leben hat sie bis hierhin in äußerster Armut verbracht. Sie ist ungebildet und bis jetzt ohne festen Wohnsitz mit ihrer Familie von Ort zu Ort gezogen, immer auf der Suche nach Arbeit. Vertraut ist sie dafür mit Gewalt und sexuellem Missbrauch. Wie unerfahren sie ist, zeigt sich bereits bei ihrer ersten Begegnung. Im Dunkeln wird sie von drei jungen Männern mitgenommen, die ihr Drogen geben uns immer aufdringlicher werden. Fay besitzt eine hohe Anziehungskraft auf Männer, unter ihnen potenzielle Ehemänner genauso wie Vergewaltiger und Zuhälter. Sie erscheint ihnen als jung, naiv, schutzlos, schön und wirkt gleichzeitig, als wäre sie leicht zu haben. Doch Fay ist, so unbedarft sie zunächst erscheinen mag, nicht wehrlos. Sie lernt schnell und letztlich bekommt sie doch oft was sie will.

Also, mein Daddy ist ein Säufer, meine Mama ist total verrückt, sie wohnen in einer morschen Hütte im Wald und der Fußboden ist so dreckig, dass man nicht barfuß drübergehen will. Und drinnen muss man vorsichtig sein, weil die Wespen überall ihre Nester bauen. Wollen Sie sonst noch was wissen?

Die Menschen von denen Larry Brown in Fay erzählt sind größtenteils Außenseiter und Kriminelle. Eigentlich alle haben ein Alkoholproblem. Egal ob beim Angeln, am Strand, während der Autofahrt oder sonst wo, die Bierdose ist immer griffbereit und auch Zigaretten scheinen überlebensnotwendig zu sein. Ansonsten trifft Fay auf Prostituierte, Zuhälter und Schläger. Das Leben wird bestimmt von Alkohol, Drogen und Sex, aber auch von Liebe. Eine Ausnahme machen hier Sam und seine Frau Amy. Doch auch diese beiden haben genügend Probleme, wie sich schnell herausstellt. Über allen anderen Figuren steht die Titelheldin Fay. Und diese ist Larry Brown ausgesprochen gut gelungen. Völlig unerfahren in manchen Dingen, woher soll sie auch wissen, dass man Alkohol und Zigaretten erst mit 18 Jahren kaufen darf oder was ein Prostituierte ist, beschließt Fay, dass es ihr einmal in ihrem Leben besser gehen soll. Wie sie, die in ihrem Leben noch niemals bei einem Arzt war, das genau schaffen soll, weiß sie noch nicht, aber ihr Traum lässt sich so leicht nicht erschüttern. Auch nicht, als sich Biloxi nicht als das versprochene Paradies entpuppt:

Die Möwen waren überall, sie schwebten in der Luft oder spazierten im weißen Sand. Der Strand war mit Coladosen, benutzten Kondomen und Zigarettenstummeln übersät. So früh am Morgen fuhren nur ein paar Autos auf dem schwarzen Highway.

In ihrer Unerfahrenheit scheint Fay sich nicht im Klaren darüber zu sein, welche Wirkung sie auf Männer hat. Doch am Ende ist sie die Stärkere und ihre Geschichte lässt sich ebenso als Coming-of-Age-Roman interpretieren wie auch als Femme fatale als junges Mädchen. Larry Brown stellt sie jederzeit überzeugend dar. Während sie mir am Anfang in ihrer Naivität noch sympathisch erschien, hatte ich im Verlauf der Handlung den Eindruck, dass sie sich immer mehr bewusst darüber ist, wie einfach es für sie ist, andere Personen, vor allem Männer, zu manipulieren und auch zu benutzen. Viele der Männer, denen Fay begegnet, haben eindeutige Absichten und meinen es eigentlich nicht gut mit Fay. Besonders bei Aaron, einem Türsteher gelingt es Brown sehr gut, einen Charaktere zu schaffen, der zwar viele negative Charakterzüge besitzt, aber trotzdem differenziert dargestellt wird und nicht nur als böser und schlechter Schlägertyp dasteht. Und bei aller Unbedarftheit von Fay sollte nicht vergessen werden, dass am Ende nicht alle die Begegnung mit ihr überleben werden.

Der Roman handelt von Hoffnungslosigkeit, Perspektivlosigkeit, Liebe und Hass. Häufig geht es dabei auch um Gegebenheiten, die nur schwer zu ertragen sind. Doch Larry Brown gelingt es, die Handlung um Fay nicht überdramatisch zu erzählen. Der Stil erscheint zunächst eher einfach, ohne große Ausschmückungen werden die meist kurzen Sätze aneinandergereiht. Aber gerade das lässt die Handlung echt und authentisch wirken und schafft eine Atmosphäre, die absolut stimmig dem Erzählten entspricht.

Ich bin sehr froh, dass Larry Brown nun auch auf dem deutschen Markt erschienen ist. Ich kannte ihn vor Fay nicht und würde mich nun auch über weitere Übersetzungen freuen (oder direkt zum englischen Original greifen). Fay ist eine Geschichte, die viele schwierige Aspekte und Themen anspricht, aber mit der Titelheldin eine absolut überzeugende Hauptfigur aufweisen kann, deren Entwicklung im Verlauf der Handlung auch glaubwürdig erscheint. Ein weiterer positiver Aspekt ist der Stil des Autors, der zwar schlicht anmutet, aber dafür trotzdem eine der Handlung angemessene Atmosphäre schaffen kann, ohne dabei das Erzählte zu dramatisieren. Für alle Leser, die sich für Südstaaten-Romane interessieren, eine klare Empfehlung.

Im Nachwort finden sich weitere interessante Hinweise zum Autor. Zum Beispiel sein Einfluss auf Songwriter, die von seinem schriftstellerischen Werk so beeinflusst wurden, dass sie ihm nach seinem Tod mit dem Tributealbum Just One More ihre Ehre erwiesen.

Weitere Besprechungen von Fay sind auf Zeichen & Zeiten, kill monotony und Leseseiten erschienen.

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