F. Scott Fitzgerald – Der große Gatsby

F. Scott Fitzgerald Der große Gatsby Zitat

F. Scott Fitzgeralds Der große Gatsby, ein Klassiker der Weltliteratur, ist ein intensiver und sprachlich herausragender Roman über die oberflächliche Gesellschaft der 20er Jahre und den Schmerz des Loslassens.

„Wissen Sie, ich befinde mich meist unter Fremden, weil ich mich mal hierhin, mal dorthin treiben lasse, um die traurigen Dinge zu vergessen, die mir passiert sind.“

Unser Erzähler ist Nick Carraway, ein 30-Jähriger aus reichem Hause, der aktuell auf Long Island lebt. Sein Nachbar ist der berühmt-berüchtigte Jay Gatsby. Jeder kennt ihn, doch keiner weiß mit absoluter Sicherheit irgendetwas über ihn. Er habe jemanden umgebracht, sagen einige. Er war im Krieg als deutscher Spion, sagen andere. Er verdient sein Vermögen mit Schnapsschmuggel, wird gemunkelt. Doch Nick darf schnell einen Blick hinter die Fassade des millionenschweren Partylöwen werfen: denn er ist der einzige, dem Gatsby wirklich vertraut.

Der Roman beginnt mit Nick Carraway, der seine Cousine Daisy und deren Ehemann Tom besucht und mit ihnen dekadente Partys in New York feiert. Sympathisch ist hier keine der Figuren, deshalb fiel es mir auf den ersten 50 Seiten relativ schwer, dranzubleiben. Ich mochte niemanden und hatte das Gefühl, sehr egozentrischen, verwöhnten Menschen dabei zuzusehen, möglichst unausstehlich zu sein.

Es muss schon an diesem Nachmittag Momente gegeben haben, in denen Daisy hinter seine Träume zurückfiel – nicht aus eigener Schuld, sondern wegen der kolossalen Lebendigkeit seiner Illusion. Sie war längst über Daisy hinausgewachsen und über alles andere auch. Er hatte sich mit seiner ganzen schöpferischen Leidenschaft hineingestürzt, seine Vorstellung ständig ergänzt und mit jeder bunten Feder geschmückt, die daherkam. Kein noch so frisches und feuriges Wesen kann das übertreffen, was das Herz eines Menschen in seinem Geist aufstaut.

Doch sobald es nach Long Island geht und der geheimnisvolle, beeindruckende Jay Gatsby seinen ersten Auftritt hat, ändert sich alles. Plötzlich entwickelt der Roman einen unheimlichen Sog, die intensive, teils sehr poetische Sprache kann sich endlich richtig entfalten und vor allem Gatsby als Figur zieht einen immer tiefer in die Story hinein. Nach außen hin populär und unnahbar, offenbart Gatsby gegenüber Nick nach und nach seine einsame, verletzliche Seele.

Hinter all den pompösen Partys und der riesigen Villa steht ein Mann, der sich selbst verloren zu haben scheint. Seine Verbindung zu Nicks Cousine Daisy reicht einige Jahre zurück – und sie ist auch der Grund für alles, was Gatsby tut. Seine Annäherung an Nick und seine gigantischen Feste sind der verzweifelte Versuch, Daisy auf sich aufmerksam zu machen und ihr näher zu kommen.

Er redete eine Menge über die Vergangenheit, und ich hatte den Eindruck, dass er etwas zurückgewinnen wollte, eine Vorstellung von sich selbst vielleicht, die in seine Liebe zu Daisy investiert worden war. Sein Leben war wirr und ungeordnet damals, aber wenn er an einen bestimmten Punkt zurückkehren und alles noch einmal langsam durchgehen könnte, dann würde er vielleicht herausfinden, was das für eine Sache gewesen war…

Doch unter der Oberfläche brodelt es gewaltig. Inmitten von Nicks Bekanntenkreis intensivieren sich die Spannungen zwischen verschiedenen Personen – Tom und Daisy, Tom und seiner Geliebten, Daisy und Gatsby. Je weiter der Roman voranschreitet, desto mehr spürt man als Leser, dass man gemeinsam mit den Figuren unaufhörlich auf eine Katastrophe zusteuert.

Ich war zutiefst beeindruckt, wie Fitzgerald es geschafft hat, mich von der anfänglichen Abstoßung über Faszination und Spannung bis hin zu Wehmut eine große Bandbreite an Emotionen spüren zu lassen. Ganz besonders möchte ich hier auch die letzten beiden Seiten erwähnen, meiner Meinung nach eines der perfektesten Romanenden, die ich je gelesen habe.

Dass Verfilmungen selten so gut sind, wie die Bücher, auf denen sie basieren, ist vermutlich die allgemeine Meinung. Hier muss ich allerdings gestehen, dass die Verfilmung hervorragend umgesetzt wurde. Sowohl der Film als auch der Roman sind auf ihre eigene Art großartig – und beide sind auf ihre eigene Art sehr einnehmend. Das Buch jedoch zeigt uns noch näher den tragischen Gatsby, einen Mann, der jahrelang seinen Träumen hinterherjagte. Ehrgeizig verfolgte er seine Ziele, doch das wichtigste war ihm vergönnt. Seine Überlebensstrategie: an seiner Vergangenheit festhalten, damit ihm die Gegenwart nicht allzu große Schmerzen bereitet.

Was Fitzgerald hier geschaffen hat, ist nicht nur eine Kritik an Kapitalismus und Oberflächlichkeit, sondern vor allem eine Geschichte der Desillusionierung. Hier wird eine Lüge nach der anderen aufgedeckt, eine Figur nach der anderen entblößt. Ist Daisy am Ende doch nicht die egoistische Prinzessin, wie es am Anfang erscheint? Ist Gatsby wirklich ein Opfer seiner Umstände, der unser Mitleid verdient?

F. Scott Fitzgeralds Roman Der große Gatsby ist ein amerikanischer Klassiker, der seinen Titel wahrlich verdient hat. Diese Dekonstruktion des amerikanischen Traums ist wahnsinnig mitreißend, was nicht zuletzt der herrlichen Sprache und den grandios gezeichneten Figuren zu verdanken ist. Wer den Film schon gesehen, aber das Buch noch nicht gelesen hat, hat definitiv Nachholbedarf. Mein nächstes Ziel: definitiv mehr von Fitzgerald lesen, allerdings im englischen Original, um den meisterlichen Stil erst so richtig auskosten zu können.

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