8 kurze Bücher für einen gemütlichen Lese-Sonntag

Bücher für einen gemütlichen Sonntag

Ein kalter, regnerischer Sonntag mag einem vielleicht die schönen Ausflugspläne vermiesen, ist aber noch lange kein Grund zum Trübsal blasen. Denn was gibt es tolleres, als es sich an seinem freien Tag mit Kaffee oder Tee auf dem Sofa gemütlich zu machen und ein verdammt gutes Buch zu lesen?! Da aber leider auch jeder Sonntag nur begrenzt viele Stunden hat, stellen wir euch heute acht Bücher vor, die so kurz und so gut sind, dass ein einziger Nachmittag schon ausreicht, um von Anfang bis Ende in ihnen zu versinken.

Christian Kracht – Faserland

Deutschland in den 90er-Jahren: Der namenlose Protagonist und Ich-Erzähler reist von Sylt aus einmal quer durch die Bundesrepublik bis in die Schweiz, trifft alte Bekannte, geht auf Partys, trinkt, probiert Drogen aus, was man nun mal so macht wenn man jung ist und zu viel Geld und Zeit hat. In extrem zynischem Ton schildert er seine Beobachtungen und Empfindungen, stets zwischen Rausch, Ennui und einer grundlegenden Abneigung.

Langweilig, unbedeutend, belanglos, unrealistisch, vollkommen überbewertet – all diese Adjektive wurden dem Roman in den letzten 24 Jahren vorgeworfen. Er hatte schon damals nach seinem Erscheinen extrem polarisiert und tut es auch heute noch. Faserland ist eines der deutschsprachigen Bücher, die ihre Leserschaft in zwei Lager gespalten haben und das kann ich auch sehr gut nachvollziehen. Jedoch hat Christian Kracht einen unglaublich starken Protagonisten geschaffen, der in seinem Nihilismus und seiner Konsumgeilheit wahnsinnig viel mit mir gemacht hat. Faserland ist eine unterhaltsame, zynische wie melancholische Reise quer durch Deutschland, die aber auch sehr viele negative Emotionen in mir hervorgerufen hat; es ist Literatur, die ihre Leser wirklich zu bewegen vermag und die, obwohl sie auch ein Porträt der Jugend der Neunziger ist, zeitlose Probleme und Ängste junger Erwachsener einfängt und auf eindringliche Weise darstellt.

Matthew Weiner – Alles über Heather

Mark und Karen Breakstone haben erst spät geheiratet, doch schon bald kündigt sich der erste Nachwuchs an. Mit der Tochter Heather lebt die Familie ein scheinbar glückliches und sorgenfreies Leben in Manhattan. Doch als Heather in die Pubertät kommt, bricht die Familie auseinander und Heather wendet sich von der Mutter ab. Gleichzeitig wird Bobby aus dem Gefängnis entlassen. Als Sohn einer drogensüchtigen Prostituierten hatte er nie einen wirklichen Platz in der Gesellschaft. Nach der Haftentlassung gelangt er als Bauarbeiter nach Manhattan.

Mit Alles über Heather beweist Matthew Weiner, dass er ein gutes Gespür für seine Figuren, ihre Probleme und den dazu passenden Stil besitzt. Daraus spinnt er eine Erzählung, die unausweichlich auf ihre Katastrophe zusteuert. Es bleibt nur zu hoffen, dass es Matthew Weiner nicht bei seinem Debüt als Schriftsteller belässt und wir bald mehr von ihm lesen können.

Peter Stamm – Agnes

„Agnes ist tot. Eine Geschichte hat sie getötet.“ – So beginnt der nur 153 Seiten kurze Roman des Schriftstellers Peter Stamm. Doch anstatt Antworten zu liefern, auf die Fragen, die durch jene ersten Worte aufgeworfen werden, führt uns der Ich-Erzähler zurück an den Anfang, als er Agnes zum ersten Mal begegnete. Er erzählt die Geschichte ihrer Liebe, einer ungesunden Liebe, die weniger auf Wahrheiten als auf falschen Hoffnungen und Vorstellungen beruhte.

Peter Stamm hat mit Agnes einen kühlen und melancholischen Roman geschaffen, der vom Scheitern einer Beziehung und von der Gefahr der Grenzaufhebung zwischen Realität und Fiktion erzählt. Ein kurzes, aber beeindruckendes Stück Literatur, das Lust darauf macht, sich intensiver mit dem Schweizer Autor und seinen Büchern zu beschäftigen.

Jonas Lüscher – Frühling der Barbaren

Auf einer Geschäftsreise wird der Schweizer Fabrikerbe Preising in Tunesien in einem Oasenresort zu einer Hochzeit von reichen, jungen Engländern aus der Londoner Finanzwelt eingeladen. Am Tag nach den Feierlichkeiten verkündet England den Staatsbankrott. Mit gesperrten Kreditkarten, völlig überschuldet und plötzlich ohne Job in der Wüste gestrandet, ist es nur noch ein kurzer Schritt zurück in die Barbarei…

In seiner Novelle Frühling der Barbaren zeichnet Jonas Lüscher ein kritisches Bild, der konsum- und geldorientierten Gesellschaft. Durch die teilweise groteske Beschreibung der Ereignisse und den Entwicklungen der Charaktere zwischen Dekadenz und purer Hilflosigkeit wird die Kritik sehr deutlich. So ist es ein Buch, das mit relevanten Themen und teilweise überzeichneten Darstellungen daherkommt.

kurze Bücher für einen gemütlichen Sonntag

Amélie Nothomb – Blaubart

Saturnine ist eine junge, hübsche Belgierin, die eine neue Bleibe in Paris sucht. Lange Zeit schlief sie auf dem Sofa ihrer besten Freundin, doch nun hat sie ein Vorstellungsgespräch für ein traumhaftes Zimmer: ein adliger Junggeselle namens Don Elemirio vermietet ein Zimmerchen in seinem luxuriösen Stadtpalais. Der Andrang ist groß, denn es ranken sich dunkle Geheimnisse um den Spanier. Die letzten acht Frauen, die bei ihm zur Untermiete lebten, sind alle spurlos verschwunden. Hat er sie etwa umgebracht? Als Saturnine das Zimmer bekommt, hat sie die einmalige Chance, das Geheimnis zu lüften…

Amélie Nothombs Roman Blaubart ist ein kurzes und temporeiches Buch mit starken Dialogen sowie einem faszinierenden männlichen Hauptcharakter. Gewohnt merkwürdig und unterhaltsam hält es seine Spannung bis zum Schluss aufrecht – Nothomb brilliert hier auf ganzer Linie.

Philip Roth – Jedermann

Roth zeichnet das Schicksal seines Jedermann nach, von der ersten schockierenden Konfrontation mit dem Tod an dem idyllischen Strand seiner Kindheitssommer über die familiären Wirren und die beruflichen Erfolge in seinem Erwachsenenleben bis hin zu der Zeit, als ihm die Hinfälligkeit seiner Altersgenossen und die eigene Gebrechlichkeit zusetzen. Das Terrain dieses gewaltigen Romans ist der menschliche Körper. Sein Thema ist das, was wir alle erleben und was uns doch so erschreckt.

Philip Roths Roman Jedermann ist zugleich ein trauriges, als auch nachdenklich machendes Buch, das trotz seines schmalen Umfangs die Perspektiven am Ende eines Lebens aufzuzeigen vermag. Obwohl die Beobachtungen und Erkenntnisse keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit stellen, gelingt es dem Autor meisterhaft, diesem Thema absolut gerecht zu werden und lang nachklingende Szenen zu erschaffen.

Neil Gaiman – Der Ozean am Ende der Straße

Ein Mann kehrt für eine Beerdigung in sein Heimatdorf zurück. Es verschlägt ihn auf die Farm der Hempstocks, wo seine Freundin Lettie wohnte, die er mit sieben Jahren kennenlernte. Er setzt sich an den Ententeich, den Lettie damals immer den „Ozean“ nannte, und denkt an ihr gemeinsames Abenteuer zurück – als plötzlich all diese seltsamen Dinge im Dorf passierten, seine Eltern die mysteriöse Haushälterin einstellten und Lettie die einzige Person war, die ihn aus seinem Albtraum befreien konnte.

Der Ozean am Ende der Straße ist eine wunderschön geschriebene Erzählung, die gleichzeitig unterhält und verzaubert. Gaiman lässt den Leser in eine gelungene Welt eintauchen und erinnert uns an die Macht von Freundschaft und Phantasie, an die wir als Kinder doch alle so fest geglaubt haben. Ein magisches Abenteuer, das einen die Realität für wenige Stunden vollkommen vergessen lässt!

Christopher Isherwood – A Single Man (Der Einzelgänger)

Ein Tag im November 1962. In einem Vorort von Los Angeles lebt George. Seit Jim, sein Freund, ums Leben gekommen ist, ist ihm „das amerikanische Utopia“ die Hölle auf Erden. Mühsam schleppt er sich durch den Tag: Er gibt einen Kurs an der Uni, besucht seine beste Freundin, fährt durch die Gegend – vor allem aber seziert er in einem unaufhaltsamen Gedankenstrom seine Umwelt. Auch dieser Tag scheint vorüberzugehen wie all die anderen zuvor, bis George nachts am Strand einem Studenten begegnet…

Ohne Rührseligkeit oder gar Pathos erzählt Isherwood die Geschichte seines Homosexuellen Protagonisten, an dessen Leben wir als Leser einen Tag lang teilhaben dürfen. So begleiten wir ihn in verschiedenen Situationen und beobachten George bei seiner Arbeit, mit einer Freundin und seinen Nachbarn. Ein Roman, der zeitlos und mit einer sehr eigenen Eleganz daherkommt und hoffentlich noch viele Leser findet.

11 Kommentare

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  1. kutabu

    Ohje… da war jetzt aber wirklich vieles dabei, was mich spontan anspricht… Von Peter Stamm habe ich erst ein Buch („Sieben Jahre“) gelesen, das einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen, ebenso wie die Verfilmung von „A single man“ – ein starker Film. Tja, was soll ich jetzt wünschen??? Acht verregnete Sonntage?? :-)
    – Zum Glück lese ich ja immer :-)
    Danke jedenfalls für diese anregende Auswahl!

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    • letusreadsomebooks

      Oh Mensch, für acht verregnete Sonntage bin ich aber nicht! :D Dann vielleicht doch lieber bald schöneres Wetter, sodass man die leichten Bücher mit ins Grüne nehmen kann! Den Film möchte ich nach der Lektüre erst recht mal sehen und auch Peter Stamm interessiert mich jetzt noch mehr als vorher schon! :)

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  2. idasbookshelf

    Danke für diese tolle Zusammenstellung! Besonders ‚Blaubart‘ und ‚Der Ozean am Ende der Straße‘ habe ich mir jetzt für verregnete Sonntage vorgemerkt. Und auch wenn mich ‚Agnes‘ von Peter Stamm eher verstört zurückgelassen hat, kann ich mir vorstellen, dass es einem anderen Leser ganz sicher den Sonntag versüßen wird. :‘)
    Liebste Grüße,
    Ida

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  3. andrea

    Schöne Idee, mal kurze Bücher vorzustellen. Das passt auf jeden Fall mal gut zwischendurch. Ich habe hier gerade ziemlich viele dicke Schinken rumstehen… Faserland wollte ich schon lange mal lesen. Werde ich bald tun!

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    • letusreadsomebooks

      Danke dir! :)
      Ja, die dicken Schinken sind immer sehr verlockend und wollen natürlich auch irgendwann einmal gelesen werden, aber ich merke immer öfter, wie sehr ich es genieße, einfach mal was Kurzes zwischendurch zu lesen ohne mich wochenlang daran abzumühen. :D Von daher kann ich dir nur empfehlen, bald mit Faserland anzufangen! ;)

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