Cixin Liu – Der dunkle Wald

Rezension Cixin Liu Der dunkle Wald Die drei Sonnen

Nach dem Erfolg von Die drei Sonnen ist mit Der dunkle Wald nun der zweite Band von Cixin Lius SciFi-Trilogie erschienen. Kann die Fortsetzung genauso begeistern wie sein Vorgänger?

Hinweis: Da es sich bei Der dunkle Wald um eine Fortsetzung handelt, finden sich im Text Spoiler zum Inhalt des ersten Buches. Zur Rezension von Die drei Sonnen gelangt ihr hier.

Nachdem Ye Wenjie vor Jahrzehnten den Kontakt zu einer fremden Zivilisation aufgenommen hat, befindet sich die Welt im Aufruhr, besonders nachdem klar ist, dass die Trisolarier mit ihrer Flotte auf dem Weg zur Erde sind. Die Vereinten Nationen rufen in ihrer Verzweiflung das sogenannte „Wandschauer“-Programm ins Leben. Vier Personen sollen voneinander unabhängig Pläne zur Abwehr entwickeln und werden dafür mit großen Ressourcen ausgestattet. Drei der Auserwählten sind bekannte Persönlichkeiten, die letzte Person, der Soziologe Luo Ji, ist dagegen unbekannt. Doch ausgerechnet in ihm sehen die Trisolarier die größte Gefahr.

Nachdem mir der Auftakt Die drei Sonnen sehr gut gefallen hatte, war ich nun gespannt, wie es im zweiten Band weitergeht. Und ich bin nach dem Lesen zwiegespalten was die Fortsetzung angeht. Ein Teil war mir zu langatmig, während ich spätestens im letzten Drittel das Buch kaum noch aus der Hand legen wollte.

Zu Beginn steht die Frage im Raum, was die Menschheit tun kann, um die in ein paar Jahrhunderten stattfindende Invasion abzuwehren. Vor allem aufgrund der im ersten Teil eingeführten Protonen, die wichtige Fortschritte in der Grundlagenforschung verhindern, was die Technik stagnieren lässt. Da die menschlichen Gedanken der einzige Bereich sind, den die Trisolarier nicht ausspionieren können, werden die Wandschauer berufen, um geheime Pläne zur Abwehr zu entwickeln und dabei niemandem Rechenschafft schuldig sind. Als Protagonisten wählt Cixin Liu den Soziologen Luo Ji, der eher unfreiwillig ausgewählt wird. Immerhin hat er sich mit Kosmosoziologie auseinandergesetzt. Der erste Teil des Buches beschäftigt sich vor allem mit diesen an Verzweiflung grenzenden Versuchen, die Katastrophe abzuwenden und fokussiert dabei die Andersartigkeit Luo Jis. Aber wie geht man damit um, wenn klar ist, dass jetzt Vorbereitungen zu treffen sind, die erst die Urenkel betreffen, aber bereits in der Gegenwart Opfer verlangen?

Hier geht es nicht um irgendwelche Ungerechtigkeiten, sondern ums nackte Überleben, und ganz gleich, wer gehen darf – Eliten, Reiche, einfache Leute –, solange irgendwer zurückbleiben müsste, wäre das der Zusammenbruch des grundlegenden Wertesystems der Menschheit und der ethischen Prinzipien. Menschenrechte und Gleichheit sind tief in unserem Denken verwurzelt. Ungleiche Folgen bezüglich des Überlebens sind die schlimmsten Folgen der ungerechten Verteilung.

Das Tempo dieses ersten Teils ist eher gedrosselt und auch die Spannung wird nur langsam aufgebaut. Dabei ist die Story immer noch unterhaltsam, konnte auf mich aber nicht dieselbe Faszination ausüben wie der erste Band. Zum Glück änderte sich das im zweiten Teil. Nach einem Zeitsprung von mehreren hundert Jahren, die Luo Ji im Kälteschlaf verbringt, hat sich die Menschheit weiter entwickelt. Die Ideen, die Cixin Liu hier vorstellt, sind kreativ und ebenso außergewöhnlich, wie ich es aus Die drei Sonnen kannte. Wie gewohnt bezieht sich der Autor auf verschiedene wissenschaftliche Theorien, erklärt das meiste aber recht verständlich. Wobei es gerade in diesem Band sicherlich nicht schadet, sich genauer mit dem Fermi-Paradoxon zu beschäftigen. Dieses geht auf eine Frage des italienischen Physikers Enrico Fermi zurück, der 1950 seinen Kollegen im Los Alamos National Laboratory die Frage stellte: „Where is everybody?“ In dieser einfachen Frage steckt die Überlegung, dass aufgrund des Alters des Universums und seiner hohen Anzahl der Sterne Leben auch außerhalb der Erde verbreitet sein sollte (vorausgesetzt, die Entstehung des Lebens auf der Erde ist kein außergewöhnlicher Vorgang, die sogenannte Rare-Earth-Hypothese). Darin findet sich der Widerspruch, dass sich in der langen Zeit neben der menschlichen Zivilisation weitere auf den vielen Sternen entwickelt haben könnten und der Tatsache, dass bislang kein fremdes Leben entdeckt wurde. Der Autor stellt in seinem Buch eigene Gedanken zu dieser Frage an, die spannend, aber auch nicht unbedingt ermutigend sind.

Auch das Universum war anfangs voller Licht gewesen. Kurz nach dem Urknall bestand alle Materie aus Licht, und erst als das Universum zu verbrannter Asche wurde, sedimentierten schwere Elemente aus der Dunkelheit zu Planeten und Leben. Die Dunkelheit war die Mutter des Lebens und der Zivilisation.

Der zweite Teil von Der dunkle Wald gefällt mir aber nicht nur aufgrund der größeren Spannung und des höheren Tempos besser, sondern vor allem durch das vermehrte Aufkommen und Diskutieren von gesellschaftlichen Fragen und Auswirkungen, die mich persönlich mehr interessieren als die technischen Details. Wie geht die Menschheit überhaupt damit um, dass sich eine außerirdische Flotte auf dem Weg zur Erde befindet? Was bedeutet die Tatsache, sicher zu wissen, dass es weiteres (intelligentes) Leben da draußen gibt? Was ist, wenn es außer den Trisolariern weitere Zivilisationen gibt? Alles entscheidende Fragen, die zumindest angeschnitten werden.

Immer mehr Menschen fragten sich, ob es das wirklich wert war, sollten wir wirklich diesen hohen Preis für einen Sieg in der Entscheidungsschlacht zahlen? Ist das Kind, das in deinen Armen stirbt, nicht wichtiger als der Fortbestand der Menschheit in mehreren Generationen? Letzteres erschien immer unbedeutender. Was immer die Zukunft bringen mochte, wichtig war die Gegenwart.

Trotz des (für mich) langsamen und spannungsarmen Starts ist Der dunkle Wald eine mehr als nur gelungene Fortsetzung. Cixin Liu zeigt alle Qualitäten aus dem ersten Band und kann mit seinen Ideen und Story-Wendungen den Leser faszinieren. Wer bereits Fan von Die drei Sonnen ist, kann hier bedenkenlos zugreifen.

Der letzte Teil der Trilogie trägt den deutschen Titel Jenseits der Zeit und ist für den 8. April 2019 angekündigt. Das Finale wird sicher den Weg in unser Bücherregal finden.

In China wird bereits eine mehrteilige Filmreihe gedreht, die auf Cixin Lius Romanen basiert. Auch Amazon ist an einer Serie interessiert. Die Rechte liegen allerdings bei YoZoo-Pictures aus Shanghai. Berichten zufolge will Amazon rund eine Milliarde Dollar in die Produktion stecken. Offizielle Stellungnahmen gibt es weder von Amazon noch von Yoo-Zoo.

9 Kommentare

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  1. Constanze Matthes

    Ich habe mir diesen Band kürzlich gekauft und bin sehr gespannt. Gerade die gesellschaftlichen Fragen, die Du ansprichst, würden mich sehr interessieren. Ich fand den ersten Band hervorragend, er hat mein Interesse an Sci-Fi-Literatur wieder geweckt. Viele Grüße

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    • letusreadsomebooks

      Dann hoffe ich, dass die Fragen für dich genügend angesprochen werden. Mir geht es da ähnlich, seit einiger Zeit ist mein Interesse an SciFi deutlich gestiegen. In den letzten Wochen habe ich auch das Buch „Die Kinder der Zeit“ von Adrian Tchaikovsky gelesen, was ich auch empfehlen würde, eine Rezension kommt hoffentlich bald (der Roman ist aber absolut nichts für Leser mit Arachnophobie).
      Viele Grüße
      Alex

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  2. Esther

    Der erste Band hat mich nicht ganz überzeugt, auch wenn ich darin vieles ausgesprochen interessant fand. Ich weiß noch nicht, ob ich die Fortsetzung lesen werde, aber das klingt jedenfalls wieder ganz interessant.

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    • letusreadsomebooks

      Was hat dir am ersten Teil denn nicht so gut gefallen? Ich hab mich vor allem am Anfang schwer getan, weil ich den Eindruck hatte, dass die chinesische Erzählweise sich doch von meinen Gewohnheiten unterscheidet.

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      • Esther

        Ich fand die wissenschaftlichen Erklärungen zu lang und zu trocken. Ich lesen gerne Sci-fi und ich mag es, wenn die Ideen darin begründet sind (oder zumindest für mich als Laien so erscheinen), aber das war mir hier zu viel. Die Grundidee und die Welt der Außerirdischen fand ich aber faszinierend und es war auch interessant, mehr über China zu erfahren.

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  3. Monatsrückblick: Unsere Bücher im März – Letusredsomebooks

    […] Mit Der dunkle Wald wurde die Sci-Fi Reihe des chinesischen Autors nun fortgesetzt. Um Spoiler zu vermeiden, möchte ich hier nicht auf den Inhalt eingehen. Insgesamt bin ich noch zwiegespalten bei meiner Einschätzung. Während ich gerade der ersten Hälfte des Romans nur wenig abgewinnen konnte, hat die zweite Hälfte an die Stärken des ersten Bandes Die drei Sonnen angeknüpft. Eine ausführliche Besprechung findet ihr hier. […]

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