Mark Z. Danielewski – Das Fünfzig-Jahr-Schwert

Mark Z. Danielewski das fünfzig-Jahr-Schwert Rezension Roman Literatur

Das Fünfzig-Jahr-Schwert von Mark Z. Danielewski ist ein modernes Gruselmärchen für Erwachsene, das sowohl inhaltlich als auch gestalterisch eine Herausforderung für den Leser darstellt. Wer sich darauf einlässt, findet einen Roman, der mit den Konventionen bricht und eine ganz eigene Wirkung entfalten kann.

Mark Z. Danielewskis Roman Das Fünfzig-Jahr-Schwert gehört wohl zu den außergewöhnlichsten und experimentellsten Büchern, die ich bis jetzt gelesen habe. Wobei Roman hier vielleicht auch etwas irreführend ist, denn die knapp 280 Seiten lassen sich problemlos an einem ruhigen Nachmittag oder Abend lesen. Die Handlung ist schnell erzählt: Während einer Halloween-Geburtstagsfeier trifft die Näherin Chintana auf ihre Rivalin Belinda. Voller Entsetzen muss Chintana feststellen, dass ausgerechnet Belinda das Geburtstagskind des Abends ist. Gleichzeitig trifft ein Geschichtenerzähler ein, der die fünf Waisenkinder, Tarff, Ezade, Inieda, Sithis und Micit unterhalten soll. Ausgestattet mit einem dunklen Umhang und einem dunklen Kasten schildert der charismatische Mann seine Geschichte. In dem Kasten befindet sich eine ungewöhnliche Waffe, die er unter besonderen Umständen erlangt hat. Doch seine Erzählung, die davon berichtet, wie er das Fünfzig-Jahr-Schwert fand, ruft ganz unterschiedliche Reaktionen hervor und so nimmt der Abend einen dunklen Verlauf…

Neben der ungewöhnlichen Handlung fällt vor allem die Gestaltung des Textes sofort auf. Es gibt fünf Erzählstimmen, die fünf Waisenkinder, die alle durcheinander erzählen. Unterscheiden lassen sich anhand der farbigen Anführungszeichen. Dabei fallen sie sich ständig gegenseitig ins Wort und stellen so die schaurigen Ereignisse des Abends dar. Außer diesen fünf kommt an ganz wenigen Stellen zusätzlich auch noch ein konventioneller Erzähler zu Wort.

        „Das Licht auf der Veranda war gleichfalls aus,

komischerweise,

                                „und was noch wichtiger ist,

gerade fiel ein Schatten auf die Schwelle,

                                                                            „obwohl

dies ohne Mond und ohne Sterne am Texas-Himmel

eine furchtbare Unmöglichkeit war,

                                                                    „denn was hier

nach ihr griff, war, wie es schien, ein Schatten, der

geworfen von nichts

                                       „anderem war

                                                                     „als einzig

von der Finsternis allein.

Die Seiten unterscheiden sich in ihrer Gestaltung sehr voneinander. Auf manchen findet sich recht viel Text, auf anderen steht kaum mehr als ein paar Wörter. Dabei sind generell immer nur die linken Seiten bedruckt. Die rechten Seiten dienen dagegen der Visualisierung des Textes und zeigen stimmige Bilder zur Geschichte, die manchmal auch auf die linke Seite übergehen. Dabei ist das Thema Nähen sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung sehr präsent. Der Schutzumschlag wirkt, als wäre er mit Nadeln von innen nach außen durchstochen worden und ebenso sind die grafischen Darstellungen im Buch selbst Näharbeiten.

Mark-Z-Danielewski-Das-fünfzig-Jahr-Schwert

Inhaltlich stellt Danielewski den Leser vor kleine Herausforderungen. Die Sprache ist sehr bildreich, voller Ausschmückungen und durch die verschiedenen Erzählstimmen wirken die Sätze dazu verschachtelt. Ebenfalls gibt es eigene Wortschöpfungen wie „Barmercigkeit“, „freventlich vergalgen“ oder „Kollinzidenz“.

Wie bereits eingangs erwähnt, ist Danielewskis Werk sehr eigen und wird sehr unterschiedliche Reaktionen hervorrufen. Mir hat es gut gefallen. Es ist einfach wirklich komplett anders und unterscheidet sich von meinen sonstigen Leseerfahrungen. Ich wurde in den Text hineingeworfen, das kurze Intro (gestaltet in der Form eines Schwertgriffs) hat eher für Verwirrung als für Erklärungen gesorgt und plötzlich hatte ich diesen Text vor mir, mit seinen farbigen Anführungszeichen, den versetzten Zeilen und den bildlichen Gestaltungen. Für mich hat sich alles drei sehr gut ergänzt. Wenn die Waisenkinder die dunkle Kiste öffnen und in ihr nichts finden, sind auch die beiden folgenden Seiten einfach nur schwarz. Klingen die fünf Erzählstimmen erstmal kompliziert, ergab sich nach kurzer Zeit eine ganz eigene Dynamik im Lesen, mit einem komplett anderen Rhythmus als ich es gewohnt bin. Dazu klingt die Geschichte erstmal recht simpel und ich glaube, dass sie in ihren Grundzügen einfach zu verstehen ist, doch wird sie jeder Leser, wenn er sich denn darauf einlässt, ganz eigen für sich selbst interpretieren und mit ihr umgehen.

Für mich ist Danielweskis Experiment Das Fünfzig-Jahr-Schwert geglückt. Es ist kunstvoll gestaltet, nimmt sich alle Freiheiten und fordert heraus. Ich glaube, dass das Buch auf jeden Leser eine andere Wirkung ausüben kann. Man sollte sich nur vorher von Konventionen und Regeln hinsichtlich der Textgestaltung verabschieden, denn sonst wird wohl kaum etwas anderes als Frust entstehen. Für mich war es eine wunderbare Leseerfahrung, die mir gezeigt hat, was abseits des üblichen mit Romanen möglich sein kann. Ich hoffe, dass noch viele weitere Leser diese Erfahrung erleben und teilen können.

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